Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
Anspruch nehmen musste. Wenn es Fenster hatte, waren sie so geschickt verborgen, dass sie selbst seinem kundigen Blick auf Anhieb entgingen, und es gab auch kein elektrisches Licht, sondern nur eine Unzahl von Kerzen, die auf Leuchtern, Kandelabern, Deckenleuchten und Dutzenden von kleineren Kerzenhaltern standen. Die Wände waren mit schwerem, dunklem Holz vertäfelt, und die Decke wurde von schweren, schwarz gebeizten Balken getragen, die vermutlich nur der Zierde dienten. So groß der Raum auch war, wirkte er dennoch fast beengt, denn in seiner Mitte stand der gewaltigste Tisch, den Will je gesehen hatte; ein Monstrum aus schwarzem Eichenholz, gegen das selbst König Artus' Tafelrunde wie ein Campingtisch gewirkt hätte. Flankiert wurde dieses Ungeheuer von gut vierzig, wenn nicht fünfzig Stühlen mit hohen, geschnitzten Lehnen, deren schiere Zahl jedem unvorbereiteten Besucher allein die Sprache verschlagen hätte. Bei Will jedenfalls funktionierte es hervorragend. Er blieb mindestens eine halbe Minute unter der Tür stehen, und erbrauchte einen Gutteil dieser Zeit, um Martina überhaupt zu finden. Sie saß ganz am Ende der gewaltigen Tafel und sah genau so klein und verloren aus, wie Will sich beim Anblick des gewaltigen Möbelstückes fühlte.
    »Beeindruckt?«, fragte sie spöttisch. Gleichzeitig deutete sie mit der Hand auf den freien Stuhl neben sich. Will registrierte beiläufig, dass insgesamt drei Gedecke aufgetragen, aber noch vollkommen leer waren.
    »Durchaus«, antwortete Will. »Ich weiß nur noch nicht genau, wie.« Er löste sich mit einiger Mühe aus seiner Erstarrung und ging auf sie zu, wobei er zu Tisch und Stühlen einen so großen Abstand hielt, wie es gerade noch ging, ohne mit der Schulter an der Wand entlangzustreifen. Martina beobachtete ihn wortlos, aber unübersehbar amüsiert.
    »Ein scheußliches Monstrum, nicht wahr?«, fragte sie, nachdem er angekommen war und sich – zögernd – setzte. »Ich hätte es längst entfernen lassen, aber im Moment brauchen wir es noch.«
    »Um Besucher einzuschüchtern?«
    Martina lachte, antwortete aber nicht darauf, sondern hob die Hand und gab Angela einen Wink, die an der Tür stehen geblieben war. »Bist du so nett und bringst das Essen, Liebes? Unser Gast stirbt wahrscheinlich schon fast vor Hunger.«
    Liebes? Will dachte noch einmal an die schwer zu deutende Art, auf die sie die Hand auf Angelas Schulter gelegt hatte, aber er weigerte sich, den Gedanken weiter zu verfolgen. Das Chaos eine Etage unter seinen bewussten Gedanken war auch so schon schlimm genug.
    Angela ging ohne ein Wort, und für eine kurze, aber quälende Zeit saßen sie einfach schweigend da und versuchten alles, um den anderen nicht ansehen zu müssen. Trotz des spöttischen Lächelns und des warmen Ausdrucks in ihren Augen spürte er, dass Martina tief in ihrem Inneren ebenso verunsichert und erschrocken war wie er. Sie mochte sich auf diesen Moment besser vorbereitet haben als er, aber es gab Dinge, auf die konnte man sich nicht vorbereiten.
    Schließlich räusperte er sich unbehaglich und sagte: »Also?«
    »Warte noch einen Moment«, bat Martina. »Nur bis Angela zurück ist. Sie kann dir manches besser erklären.«
    »Du meinst, es wäre dir lieber, wenn sie die meisten meiner Fragen beantwortet?«, sagte Will.
    »Immer noch so direkt und mit der Tür ins Haus wie früher, wie?«
    »Sicher«, antwortete Will. »Aber das ist keine Antwort auf meine Frage.«
    »Stimmt«, sagte Martina. Sonst nichts. Auch das hatte sich nicht geändert, dachte Will. Worüber sie nicht reden wollte, darüber redete sie nicht.
    Er wartete trotzdem noch ein paar Sekunden und wider besseres Wissen darauf, dass sie antwortete, dann hob er mit einem resignierenden Seufzen den Kopf und sah sich lange und demonstrativ um. Ob ihm gefiel, was er sah oder nicht – es war beeindruckend.
    »Wenn wir schon die Zeit totschlagen sollen …«, murmelte er. »Du scheinst es ja ganz gut getroffen zu haben.«
    »Ich habe eine gute Partie gemacht, wie man so schön sagt«, antwortete Martina. »Mein Mann war ziemlich vermögend.«
    »War?«
    »Er ist gestorben. Drei Wochen nach unserer Hochzeit. Und bevor du fragst: Ja, ich habe ihn nur geheiratet, um die Kontrolle über sein Vermögen zu bekommen.«
    Will starrte sie an. Das war nicht die Martina, die er kannte. Ganz und gar nicht. Aber er suchte vergeblich nach einem verräterischen Funkeln in ihren Augen, oder auch nur dem Hauch von Spott in ihrer

Weitere Kostenlose Bücher