Feuer: Roman (German Edition)
eher an ein paar andere Augenblicke«, sagte er. »Ziemlich viele sogar, wenn ich so darüber nachdenke.«
»Will – nicht«, sagte Martina. »Du verstehst nicht. Es ist nicht nur eine Menge Zeit vergangen. Es ist viel passiert. Ich bin …«
»… nicht mehr die, die ich gekannt habe, ich weiß«, unterbrach sie Will. »Irgendwie haben wir uns doch alle verändert, oder?« Er trat noch ein winziges Stückchen näher. Martina bewegte sich unbehaglich und hob ihr Glas; vielleicht nicht einmal, um wirklich zu trinken, sondern um es wie einen Schild zwischen sich und ihn zu halten. Will nahm es ihr aus der Hand und stellte es hinter ihr auf die Bar. Nahezu zwangsläufig berührten sie sich dabei; nur ganz flüchtig, aber er spürte dennoch, wie sie erschauerte und instinktiv vor ihm zurückzuweichen versuchte, nur dass da nichts mehr war, wohin sie zurückweichen konnte.
»Will, bitte«, begann sie, aber er unterbrach sie erneut, indem er ihr Zeige- und Mittelfinger der Linken auf den Mund legte. Ihre Pupillen weiteten sich unmerklich, und das Gefühl ihrer weichen Lippen auf seiner Haut war fast mehr, als er ertragen konnte. Er spürte, wie ihr Atmen sich beschleunigte, und beugte sich zu ihr hinab, und die Tür hinter ihnen ging auf, und Angela kam herein.
»Die Herrschaften hatten Kaffee bei…« Sie brach mitten im Wort ab, als sie Will und Martina erblickte, und ihre Augen wurden groß. Für einen Atemzug war sie einfach nur fassungslos; und im nächsten so schockiert, dass sie um ein Haar das Tablett mit Kaffeetassen und -kanne fallen gelassen hätte, das sie mit beiden Händen vor sich balancierte.
Martina glitt mit einer hastigen Bewegung hinter ihm hervor und nahm ihr Glas mit, bevor sie sich rasch ein paar Schritte entfernte. Sie sah weg und trank einen großen Schluck, während sie sich umdrehte. Angelas Augen wurden noch größer, aber jetzt las er keine Fassungslosigkeit mehr darin, sondern blanke Wut.
»Störe ich?«, fragte sie. Ihre Stimme zitterte ganz leicht.
Es lag Will auf der Zunge, mit einem ganz klaren Ja zu antworten, aber da war etwas in Angelas Augen, was ihn warnte, lieber die Klappe zu halten. Etwas, das schlimmer war als die Wut, die in ihrem Blick loderte. Er schwieg.
Angela starrte ihn noch weitere zwei oder drei Sekunden lang unverhohlen wütend an, bevor sie weiterging und ihre zerbrechliche Last mit solcher Wucht auf dem zierlichen Glastisch ablud, dass sich Will beinahe wunderte, dass nichts davon zu Bruch ging.
»Ich habe euch Kaffee gemacht«, sagte sie spitz. »Ihr könnt natürlich auch Champagner und Austern haben, wenn euch das lieber ist.«
»Kaffee ist völlig in Ordnung«, sagte Will. »Er macht wach. Es könnte ja immerhin sein, dass ich meine Kräfte heute noch brauche.« Das war ganz bestimmt nicht das Klügste, was er in diesem Moment sagen konnte, aber auf der anderen Seite wäre er auch an seinen eigenen Worten erstickt, hätte er sie nicht ausgesprochen. Was bildete sich diese dumme Göre eigentlich ein?
»Angela, bitte«, sagte Martina hastig. »Es ist nicht so, wie es aussieht.«
»So?«, fragte Angela kühl. »Wie sieht es denn aus?«
»Ich habe ihm so weit alles erzählt«, sagte Martina. Sie räusperte sich unbehaglich, trank einen weiteren Schluck – das Glas war jetzt beinahe leer – und sah überallhin, nur nicht in Angelas Richtung. Wieso benahm sie sich so?, dachte Will verwirrt. Möglicherweise war es ihr ja peinlich, von Angela bei einer Beinahe-Umarmung mit ihrem früheren Freund überrascht worden zu sein, aber doch nicht so. Sie benahm sich wie …
Aber das war vollkommener Unsinn. Nicht Martina.
»So?«, fragte Angela. »Was?« Ihre Stimme war spröde wie Glas.
Will sah immer verwirrter von ihr zu Martina und wieder zurück. Seine Gedanken überschlugen sich, und zugleich schienen sie kaum noch von der Stelle zu kommen, als wäre sein Kopf plötzlich mit halb flüssigem zähem Lehm gefüllt. Martina und Blondie? Nie und nimmer.
»Ich habe ihm von Duffy erzählt«, antwortete Martina. »Jedenfalls das Wichtigste, auf die Schnelle.« »Soll ich vielleicht später noch einmal wieder kommen, damit ihr euch weiter unterhalten könnt?«, fragte Angela spöttisch.
Martina warf ihm einen fast flehenden Blick zu, und Will schluckte die zynische Antwort herunter, die ihm auf der Zunge lag. »Also gut«, sagte er. »Was kann ich tun, um euch zu helfen?«
Angela setzte zu einer Antwort an, die ihm höchstwahrscheinlich genauso wenig gefallen
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