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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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drohte ihm fast mehr den Atem zu nehmen als der beißende Rauch, und sie war bestimmt auch alles andere als ungiftig, aber sie tat ihre Wirkung. Vor ihm, dort wo eben noch der Bettvorleger in hellen Flammen gestanden hatte, war das Feuer bereits erstickt, aber weiter hinten, am Fenster schlugen die Flammen noch hoch hinaus. Vom Vorhang war nur noch der oberste Teil vorhanden, und gerade als Will dorthin blickte, loderte der Rest des Stoffes empor und verpuffte dann explosionsartig. Will lenkte den Strahl seines Feuerlöschers in Richtung Decke, an der sich bereits ein paar Brandnester gebildet hatten, unerreichbar für die Sprinkleranlage und damit seine Herausforderung, wenn er diesen Brand unter Kontrolle bringen wollte. Ein Funkenregen stob auf und regnete auf ihn herab, als er den Strahl über die Decke gleiten ließ.
    Trotzdem hätte er es fast nicht geschafft. Die Decke musste aus einem extrem schwer entflammbaren Material bestehen –wie wahrscheinlich das ganze Haus und seine Einrichtung. Aber irgendetwas schien mit diesem Feuer nicht zu stimmen Es war hartnäckig und bösartig, als wenn sich Tausende von Feuerkobolden verbündet hätten, um Martinas Luxushütte abzufackeln. Wenn es auch anders war als die schwelende gelbe Glut, der das Haus zum Opfer gefallen war, in dem er die letzten Jahre gelebt hatte, glaubte er doch wieder die unglaubliche Präsenz von etwas absolut Bösem zu spüren; und er erinnerte sich voller Grauen daran, dass die Urgewalt der Erde selber in Form flüssiger Lava gekommen war, um ihn, Reimann und Falkenberg zu vernichten; und noch viel schlimmer die Panik, die ihn ergriffen hatte, als er versucht hatte, seine Tochter zu retten … seine Tochter? Clara oder Maria –oder Duffy? Er schien auf einmal den Zusammenhang zu begreifen, den es zwischen alldem gab – für einen winzigen, fragilen Moment –, dann brach all das wieder in sich zusammen, und es schien ihm beinahe so, als wären die Flammen gekommen, um ihn jetzt zu holen, nachdem er ihnen bislang immer wieder im letzten Augenblick hatte entkommen können.
    In jeder anderen Situation wäre er zweifelsohne aus diesem Raum geflohen, so schnell ihn seine Füße getragen hätten. Jetzt war ihm das unmöglich. Das schmale Gesicht der Zwölfjährigen, das erschöpfte, trotzige Aufbegehren, das in ihren Augen funkelte, wenn sie sich wieder einmal in die Ecke gedrängt fühlte, hatte sich deutlicher auf seine Netzhaut eingebrannt als das flammende Inferno um ihn herum. Martina schrie immer wieder irgendetwas, aber er kümmerte sich nicht darum. Wie ein durchgeknallter Derwisch hantierte er mit dem Schlauch des Feuerlöschgeräts, unfähig, auch nur noch einen klaren Gedanken zu fassen oder nur im Entferntesten daran zu denken, dass die Löschsubstanz selbst dieses Wundergeräts irgendwann am Ende sein musste.
    Die Flammen wichen vor ihm zurück, als spürten sie, dass sie seinem Wüten nicht gewachsen waren, und die Sprinkleranlage arbeitete unermüdlich weiter, so dass er jetzt nicht mehr durch ein Flammenmeer torkelte, sondern in einem zentimeterdicken Schaumteppich herumplatschte. Trotzdem würde er es einfach deshalb nicht schaffen, weil seine Kraftreserven verbraucht waren. Seine Bewegungen wurden langsamer, unmerklich erst, aber dann zunehmend, und während die Kraft aus seinen Armen wich und er kaum noch das – jetzt bereits leichter gewordene – Monstrum von Feuerlöscher halten konnte, das ihn mit sich in die Tiefe zu ziehen schien, rang er von Sekunde zu Sekunde qualvoller um Luft. Er war am Ende, aber er weigerte sich mit der sturen Beharrlichkeit eines Vaters, der sein Kind zu retten versucht, das zur Kenntnis zu nehmen. Die immer wieder neu aufflackernden Brandnester, das Zischeln und Flackern um ihn herum gewannen eine Eigendynamik, die letztlich über ihn triumphieren würde, und obwohl er tief im Innersten wusste, dass er einen sinnlosen Kampf kämpfte, war er nicht bereit, aufzugeben, sondern richtete nur noch umso unerbittlicher den Schaumstrahl auf jeden Funken und jede Flamme, die sich ihm entgegenreckte.
    Er wäre verloren gewesen, wenn er nicht von anderer Seite aus unerwartet Hilfe bekommen hätte. Plötzlich war jemand neben ihm und richtete den Strahl seines eigenen Feuerlöschers auf eine heftige blakende Feuerstelle neben dem Schrank, die mit gierigen Feuerfingern über den Schaumteppich nach Wills Beinen leckte. Will warf einen kurzen Seitenblick auf die Gestalt, die ihm beigesprungen war. Es war Angela.

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