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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sprach, konnte er seinen Atem riechen, der nach Pfefferminz, aber auch ganz schwach nach etwas Unangenehmem roch.
    »Ich hoffe, du hast verstanden, Freundchen«, sagte er. »Versuch nicht den Helden zu spielen. Und falls das Wort >Zivilcourage< in deinem Vokabular überhaupt vorkommt, dann vergiss es am besten gleich wieder.« Er grinste, zog den Kopf ein kleines Stück zurück und griff dann mit einer plötzlichen Bewegung in Wills Jacke. Ohne die geringste Sorge, dass sein Opfer etwas dagegen unternehmen könnte, zog er seine Brieftasche heraus, klappte sie auf und nahm Wills Personalausweis heraus. Er sah nicht einmal flüchtig darauf, sondern ließ ihn in seiner Jacke verschwinden, dann warf er die Brieftasche achtlos auf den leeren Beifahrersitz. »Keine Sorge, du bekommst ihn wieder. Sobald wir sicher sind, dass du wirklich den Mund hältst. Wenn nicht, dann weiß ich jedenfalls, wie du heißt und wo du wohnst. Und sollte es sich als nötig erweisen, dass wir uns wiedersehen, dann kommst du nicht noch mal so ungeschoren davon.«
    Da Sven offensichtlich auf eine Antwort wartete, zwang Will sich zu einem Nicken, und das schien dem Schläger wohl auch zu genügen, denn er verzog nur noch einmal grimmig das Gesicht, dann trat er zurück und warf die Tür zu. Will sah nicht hin, aber er registrierte trotzdem, dass Sven noch ein paar Sekunden stehen blieb und ihn anstarrte, bevor er sich herumdrehte und zu dem wartenden Kombi auf der anderen Straßenseite hinüberging. Er stieg ein, und der Wagen fuhr los, noch bevor er die Tür ganz hinter sich geschlossen hatte.
    Und damit war der Albtraum vorbei. Mehr konnte es nicht gewesen sein: ein Albtraum, und noch dazu einer, der weder besonders originell noch in irgendeiner Art komisch gewesen war. Will starrte für eine kleine Ewigkeit in die Richtung, in der die Rücklichter des Kombi verschwunden waren, und während der ganzen Zeit wartete er ernsthaft darauf, dass irgendetwas geschah, sich die Erde auftat, um ihn zu verschlingen, oder ein Dutzend weiterer Schläger aus dem Nichts auftauchten, um ihn aus dem Aston Martin zu zerren und endgültig zu Brei zu schlagen, und erst als nichts von alledem geschah, wagte er es, erleichtert aufzuatmen. Er versuchte erst gar nicht dem, was er in den letzten zehn Minuten erlebt hatte, so etwas wie Sinn abzugewinnen, sondern akzeptierte einfach nur die Tatsache, dass er noch am Leben und – zumindest auf den ersten Blick – halbwegs bei Gesundheit war. Jetzt, als der Schock abklang, begann er allmählich zu spüren, wie miserabel er sich wirklich fühlte: Sein Kopf dröhnte und überschwemmte seinen Körper nach wie vor mit Wogen aus dumpfem Schmerz, er hatte immer noch Mühe, richtig zu atmen. Aber er war am Leben. Ganz offensichtlich hatte ihm Sven auch keinen Knochen gebrochen, und ebenso offensichtlich war bisher auch noch niemandem der herrenlos dastehende Wagen aufgefallen; jedenfalls niemandem, der sich durch den Anblick genötigt fühlte, die Polizei zu alarmieren.
    Aber das musste schließlich nicht immer so bleiben. Will investierte noch eine kostbare Sekunde in einen aufmerksamen Blick nach rechts, nach links und in den Rückspiegel, dann schob er den Hebel des Automatikgetriebes nach vorn, und der Aston Martin setzte sich nahezu lautlos in Bewegung. Erst nachdem er gut hundert Meter weit gefahren war, fiel ihm auf, dass er kein Licht eingeschaltet hatte. Will korrigierte seinen Fehler, fuhr bis zur nächsten Ecke und bog wahllos nach rechts ab; an der nächsten Kreuzung nach links und dann noch einmal nach rechts. Erst, als er sich drei oder vier Blocks weit von der Ruine der ausgebrannten Jugendstilvilla entfernt hatte, wagte er es, den Aston Martin wieder an den rechten Straßenrand zu lenken und den Motor auszuschalten. Er zitterte am ganzen Leib. Je mehr er darüber nachdachte, desto unwirklicher und erschreckender kam ihm das vor, was er gerade erlebt hatte. Wo war er da nur hineingeraten?
    Mindestens fünf Minuten lang saß er einfach reglos hinter dem Steuer und wartete darauf, dass sich der hämmernde Rhythmus seines Pulsschlags beruhigte und seine Hände aufhörten, wie wild zu zittern. Beides geschah nach und nach, aber das Gefühl, aus einem Albtraum erwacht zu sein, ließ nicht nach, sondern wurde im Gegenteil mit jedem Moment stärker. Wills etwas außergewöhnliche Berufswahl brachte es mit sich, dass er schon mehr als einmal in Situationen geraten war, die einem braven Bürger die Haare hätten zu Berge

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