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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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stehen lassen, und er hatte Abgründe menschlichen Verhaltens erlebt, die sich der gewöhnliche Spießer nicht einmal hätte vorstellen können. Und dennoch war er noch niemals so erschrocken gewesen wie jetzt. Er wusste nicht einmal, was ihm mehr Angst gemacht hatte: dieser völlig ausgeflippte langhaarige Kerl, der ihm, ohne mit der Wimper zu zucken, das Genick gebrochen hätte, oder die absolute Kälte in den Augen seiner Begleiterin. Davon abgesehen hatten sich die beiden alles andere als klug benommen. Wenn es ihnen wirklich darum gegangen war, ihn zum Schweigen zu bringen, hätten sie ihn einfach liegen lassen können, nachdem Sven ihm diesen gemeinen Schlag verpasst hatte; oder die Sache auch zu Ende bringen. Was immer sie waren – eines waren sie ganz bestimmt nicht: Profis. Er ließ weitere zwei oder drei Minuten verstreichen, in denen er sich vergeblich sein Hirn über das Erlebte zermarterte und noch vergeblicher versuchte, der Sache irgendeinen Sinn abzugewinnen, dann streckte er die Hand wieder nach dem Zündschlüssel aus, führte die Bewegung jedoch nicht zu Ende, sondern griff stattdessen in die Jackentasche und nahm die Geldscheine heraus, die ihm Svens Begleiterin gegeben hatte. Mit wachsender Verblüffung zählte er sie ab. Es waren genau achthundertfünfundachtzig Euro – eine Summe, die keinerlei Sinn zu ergeben schien; bis ihm klar wurde, dass sie auch keinen Sinn haben konnte. Die Frau hatte einfach in die Tasche gegriffen und herausgenommen, was sie bei sich hatte. Aber auch das war erstaunlich. Will kannte eine Menge Leute, die eine solche Summe – und auch mehr – achtlos in der Jackentasche mit sich herumtrugen, aber die allermeisten von ihnen fuhren rosarote oder himmelblaue Corvettes, führten einen Pitbull an der Leine oder trugen dünne Goldkettchen um den Hals. Irgendetwas stimmte an dieser ganzen Geschichte nicht.
    Für zwei oder drei Sekunden nahm ein völlig verrückter Gedanke in Wills Gehirn Gestalt an: Vielleicht war er ja wirklich besser beraten, wenn er zur Polizei ging. Dann aber musste er über seinen eigenen Einfall lachen. Selbst wenn er verrückt genug wäre, so etwas Dummes zu tun – wer sollte ihm schon glauben?
    Kopfschüttelnd blickte er noch einen Moment auf die Geldscheine in seiner rechten Hand herab – gut, für einen neuen Anzug würde es reichen, und es blieb auch noch ein ansehnliches Schmerzensgeld übrig –, steckte sie dann wieder ein und startete den Motor, um weiterzufahren. Es wurde Zeit, in die Wirklichkeit zurückzukehren. Er hatte fast eine halbe Stunde verloren, Georg würde allmählich nervös werden, und wenn er noch mehr Zeit verlor, würde Georg anfangen, sich Sorgen zu machen. Und wenn es einen Menschen gab, der noch unangenehmer war als Georg, wenn er nervös war, dann Georg, wenn er sich Sorgen machte. Will blickte einen Moment lang auf das Autotelefon des Aston Martin hinab und überlegte, in der Bar anzurufen und seine Verspätung anzukündigen, entschied sich aber dann dagegen. Es war zwar unwahrscheinlich, aber immerhin möglich, dass der rechtmäßige Besitzer dieses Wagens die Nummer überwachen ließ, und Will wagte sich gar nicht vorzustellen, wie Georg reagieren würde, wenn er in die Verlegenheit kam, zu erklären, wieso die Nummer seiner Bar vom Telefon eines gestohlenen Wagens aus angerufen worden war. Er würde noch einmal nach Hause fahren – auch wenn das seine Verspätung noch vergrößerte –, sich umziehen und von dort aus anrufen. Er gab Gas, bog nach links ab – und trat so hart auf die Bremse, dass der Aston Martin im ersten Moment auszubrechen drohte.
    Die Straße vor ihm war blockiert. Quer auf der Fahrbahn stand ein grün-weißer Streifenwagen mit offenen Türen und flackerndem Blaulicht und dahinter, noch unmöglicher abgestellt, so dass er auch noch den Rest der Straße blockierte, ein dunkelblauer Ford, der nur auf den ersten Blick wie ein ganz normales Auto aussah; der instinktive Blick, den Will auf das Nummernschild warf, enttarnte ihn als Zivilstreife. Sowohl seine als auch die uniformierte Besatzung des Streifenwagens waren ausgestiegen und rannten wie aufgescheuchte Hühner in dem vergeblichen Versuch hin und her, die rasch anwachsende Menschenmenge im Zaum zu halten, die sich auf beiden Bürgersteigen, aber auch auf der Straße selbst drängelte, so dass sogar über den Fußweg kein Durchkommen war.
    Nicht, dass es etwas genutzt hätte. Hinter der doppelten Barrikade aus Fahrzeugen und Menschen schien

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