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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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geben?« Georgs Stimme dröhnte in Wills Ohren wie Donnergrollen. »Bist du verrückt? Duffy hat sich von dir abgewandt. Sie will nie wieder etwas mit dir zu tun haben. Akzeptier das endlich!«
    »Ich kann das nicht …«, stammelte Will. »Ich will das nicht.« Die unbarmherzige Kälte zog die Wärme rascher aus seinen Gliedern, als sein Körper sie produzieren konnte, und mit der Wärme schien auch das zu entweichen, was seine Persönlichkeit ausmachte. Sein Ich-Gefühl begann zu zerfließen wie Wasser, das aus einer Schale ausgeschüttet wird und im Erdreich versickert. Er begann zu vergessen, warum er hier war, er konnte seiner Umgebung keine festen Strukturen mehr abgewinnen, er wusste kaum noch, wer Georg war – aber tief in ihm, da brannte weiterhin das Verlangen, Duffy vor diesem Monstrum zu retten, und dieses Verlangen war stärker als alles andere, und mit dem letzten Aufbäumen, der letzten Wut in ihm schrie er: »Gib mir endlich meine Tochter, verdammt! Rück sie endlich raus, Wolfsgesicht, misch dich nicht in unsere Belange ein!«
    Georg wischte sich den Schnee aus dem Gesicht, den der Wind herantrieb, zumindest schien das Will in einem winzigen, aufflackernden Moment so, und genauso glaubte er das Knarren des Holzes zu hören, aus dem er mit Hilfe seiner Gesellen und seiner eigenen Hände Arbeit die Schmiede erbaut hatte, und dann zog Schwärze vor seinen Augen empor, eine so absolute Schwärze, dass er wusste, dass das Ende nahte, dass sich sein Bewusstsein jeden Moment ausblenden würde und er selbst hinübergleiten würde in das Zwischenreich zwischen Leben und Tod …
    »Spielst du den Trottel – oder bist du wirklich einer?«, hörte er Georgs Stimme wie aus weiter Ferne an sein Ohr dringen.
    Will wollte aufbegehren, ein letztes, entscheidendes Mal, aber es war vielleicht nicht mehr als ein Reflex, ein Aufbegehren ohne Sinn und Verstand. Doch auch wenn er sich seines Körpers nur insoweit bewusst war, dass er ihn als Quell unerträglicher Pein und immer grausamerer Kälte registrierte, so klammerte sich dieser Körper doch an das unerwünschte Leben, und er kämpfte weiter mit einer Verbissenheit, die sein Bewusstsein in Erstaunen versetzt hätte, wäre er nur in der Lage gewesen, sie zu registrieren.
    »Ist es das, was du am Ende wolltest?«, fragte Georg. »Bist du müde geworden nach all der Zeit? Oder bist du wirklich der Schwächling, den du spielst, ist in dir nichts mehr von der alten Kraft der …«
    Will erfuhr nicht mehr, wie Georg den Satz beenden wollte. Über ihm war ein schabendes Geräusch, nicht einmal besonders laut, dann so etwas wie tapsende Schritte, und noch bevor er nach oben blicken konnte, krachte und donnerte es, als ob die ganze Kellerdecke zusammenbrechen würde, und Putz und Dreck rieselten auf ihn herab, und kleinere Splitter aus Stein und anderen, undefinierbaren Materialien trafen ihn, und noch während er zurücktaumelte, hatte er das Gefühl, als würde der Boden unter ihm beben, als würde er nicht auf uralten Pflastersteinen stehen, sondern auf der geschuppten Haut einer Riesenschlange, die urplötzlich zum Leben erwacht war und ihn nun abschütteln wollte, um dann mit ihrem gigantischen Maul zu ihm herumzufahren und ihn zu verschlingen.

Kapitel 34
    Inmitten der Staubwolke, die wie dichter Nebel in dem Gewölbe hing, war für einen Moment nichts weiter als ein blendend heller Lichtstrahl zu sehen. Will hatte sich mit der rechten Hand in der rauen Wand so weit eingekrallt, wie das möglich war. Vollkommen fassungslos starrte er auf die groteske Gestalt, die ein paar Schritte von ihm entfernt auf den Boden gesprungen war und nun gerade mit einer einzigen fließenden, und doch seltsam ungelenk und falsch wirkenden Bewegung aus der Hocke hochkam.
    Fast hätte er hysterisch aufgelacht. Das war v-o-l-l-k-o-m-m-e-n unmöglich. Er hatte endgültig den Verstand verloren. Die Gestalt sah aus, als wäre sie einem billigen Horrorroman entsprungen. Auf dem Kopf trug sie einen schräg sitzenden Hut, der aus einem Indiana-Jones-Film hätte stammen können, und darunter funkelte ihn ein einziges, verrutscht wirkendes, blutunterlaufenes Auge an, während das andere Auge gar nicht mehr vorhanden zu sein schien; für einen winzigen Moment hatte er den Eindruck, dass es in der leeren Augenhöhle wimmelte und zuckte, als würde sich dort etwas Unvorstellbares herauswinden wollen. Die Nase stand schief und war geschwollen, und wo die Stirn und das rechte Ohr sein sollten, wucherte

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