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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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einer wütenden Bewegung riss er das leider vollkommen unbeschädigt wirkende Messer aus der Wand, aber er wandte sich nicht ab; er drehte nur leicht den Kopf, so dass er Georg allenfalls aus den Augenwinkeln sehen konnte. Vor Wills Augen tanzten bunte Punkte, vielleicht als Reaktion auf den blendend hellen Strahl der Taschenlampe, vielleicht aber auch als Folge des Blutverlusts in Kombination mit der Todesangst oder der Sorge um Duffy, die seine Körperchemie verrückt spielen ließ. Ohne es verhindern zu können, begann er in sich zusammenzusacken, fast unmerklich erst, aber doch beständig, vollkommen unfähig, irgendwo an der rauen Wand oder in den modrigen Fugen zwischen den Steinen Halt zu finden. Es ging vielleicht noch nicht wirklich zu Ende mit ihm, aber in einer Situation wie dieser reichte es wahrscheinlich schon, wenn er das Bewusstsein verlor.
    Die beiden Männer vor ihm beachteten ihn in diesem Moment nicht, und vielleicht war das sein Glück. Will war zwar fast verrückt vor Angst und so geschwächt, dass er in einer anderen Situation wahrscheinlich schon längst zusammengebrochen wäre, aber trotzdem arbeitete sein Verstand auf einer ihm bislang unbekannten Ebene klarer denn je zuvor. Er brauchte Georg, um Duffy zurückzugewinnen, und Georg brauchte ihn – vielleicht nicht einmal hauptsächlich, um an Martinas Geld zu kommen, wie er sich anfangs eingebildet hatte, sondern um die nächste Runde in seinem Rache- und Demütigungsspiel einzuläuten, dessen Hintergrund Will bislang noch nicht einmal ansatzweise verstanden hatte. Aber ganz egal, ihrer beider Schicksal war im Moment so eng verwoben, dass keinem von ihnen beiden daran liegen konnte, dass die Situation eskalierte und einer von ihnen dabei ernsthaft zu Schaden kam.
    Rattengesicht dagegen war in diesem Spiel zu überhaupt nichts mehr nutze, weniger als eine Schachfigur, einfach jemand, der zum falschen Zeitpunkt sein ganz eigenes Drama inszeniert und viel zu sehr in sich selbst gefangen ist, um zu begreifen, auf was er sich da eigentlich einlässt. Dennoch, oder vielleicht gerade deswegen, war er überaus gefährlich. Will musste ihn aufhalten, bevor er mehr anstellte, als ihm mit seinem Messer ein kleines bisschen zu heftig am Bein zu ritzen. Und dafür hatte er nur eine Chance: unbemerkt den Elektroschocker zu ziehen, den er sich in die Hosentasche gequetscht hatte und der sie so sehr ausbeulte, dass sie wahrscheinlich den teuren Stoff ruinierte; und dann den Schocker gegen Fred zu pressen und den Abzug durchzuziehen, bis sich der langhaarige Schläger in Krämpfen wand.
    Rattengesicht drehte so schnell den Kopf in Wills Richtung, dass seine strähnigen Haare dicht an Wills Kinn vorbeizischten. Die Wolke undefinierbaren Gestanks, die sich Will noch am ehesten aus dem weit aufgerissenen Maul eines Nilpferds hätte vorstellen können, verschlug ihm fast den Atem, und seine rechte Hand, bemüht, die Hosentasche zu erreichen, ohne dabei endgültig sein notdürftig aufrechterhaltenes Gleichgewicht zu verlieren, wäre fast automatisch hochgezuckt, um Rattengesicht weit von sich zu stoßen. Erst im letzten Moment gelang es ihm, die Bewegung zu unterdrücken.
    Fred schien es nicht zu bemerken. Seine Aufmerksamkeit hatte sich bereits wieder Georg zugewandt. »Mach die Aktentasche auf. Aber ganz langsam.« Er unterstrich seine Worte mit einer passenden und doch vollkommen sinnlos wirkenden Bewegung mit dem Messer.
    »Ganz, wie du willst.« Der Lichtkegel wanderte an die Decke, als sich Georg die Taschenlampe unter den Arm klemmte, und dann hörte Will das Klicken eines Schlosses. Die Finger seiner rechten Hand drohten wieder aus der Hosentasche herauszurutschen, als ihn plötzlich und unerwartet ein Schwindelgefühl packte, und er konnte nicht verhindern, dass er aufstöhnte.
    Rattengesicht wandte ärgerlich den Kopf. »Halt die Schnauze, du Arsch, verdammt!«
    Er machte eine nachlässige Handbewegung mit der anderen Hand, ohne Will aus den Augen zu lassen. »Du kannst die Aktentasche wieder zumachen. Ich hole sie mir gleich. Aber vorher muss ich noch eine Kleinigkeit erledigen.«
    Er verlagerte sein Gewicht etwas nach vorne, und Will ahnte, was jetzt kommen musste. Trotzdem schrak er zusammen, als Rattengesicht ausholte und das Messer erneut mit mörderischem Schwung auf ihn zusausen ließ. Dafür reagierte sein Körper in seinem Zusammenbruch mit einer Zuverlässigkeit, die mehr als erstaunlich war. Genau in dem Moment, als die Messerspitze zum

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