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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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wandte sich Will um und erlebte gleich die nächste, noch bösere Überraschung. Er war nicht mehr allein. Die Tür zu Georgs Büro war aufgegangen, auch wenn man es im ersten Moment leicht hätte übersehen können. Der schwarzhaarige Kerl, der in der Türöffnung stand, füllte den Rahmen nicht nur mit Leichtigkeit aus, sondern musste sich sogar bücken, um nicht mit dem Kopf oben anzustoßen, und der Ausdruck seiner Augen war mindestens so finster wie die Farbe des schwarzen Leders, mit dem die Tür bezogen war. Will kannte Slavko seit gut fünf Jahren, seit er nämlich für Georg arbeitete und vom einfachen Handlanger rasch zum Chef des Schlägertrupps aufgestiegen war, den Georg als seine Bodyguards bezeichnete. Der Mazedonier stand einfach nur da und lächelte ihn an; das hieß: Er hatte das Gesicht zu etwas verzogen, das von allen Menschen auf der Welt vermutlich nur er selbst für ein Lächeln hielt – und obwohl er darüber hinaus keine Miene verzog und auch nicht die mindeste drohende Bewegung machte, begann Wills Herz schon wieder schneller zu schlagen, und seine Handflächen wurden feucht. Nicht, dass jemand, der über zwei Meter groß war und gute hundertzehn Kilo wog, es nötig gehabt hätte, eine drohende Haltung anzunehmen. Will war bisher noch niemals mit Slavko aneinander geraten (er kannte auch niemanden, der das getan hätte, ohne die nächsten vier Wochen im Krankenhaus zu verbringen), aber er wusste, welchen Spaß es Slavko bereitete, anderen nicht nur Schmerzen zuzufügen, sondern sie ganz bewusst zu verletzen.
    »Wo willst du hin?«, fragte Slavko. Er sprach ein ausgezeichnetes Deutsch, aber sein slawischer Akzent war dennoch zu hören, und zumindest in diesem Moment verlieh er der an sich harmlosen Frage etwas ungemein Drohendes. Will kämpfte seine Angst mühsam nieder, reckte trotzig die Schultern und ging mit schnellen Schritten auf Slavko zu. Er machte keine Anstalten, seine Frage zu beantworten, und irgendwie brachte er sogar das Kunststück fertig, seinem Blick standzuhalten. Und es geschah sogar noch ein zweites, weit größeres Wunder: Slavko gab sich zwar alle Mühe, ihn mit Blicken zu durchbohren, doch als Will näher kam, nahm er die Hand von der Türklinke und wich ein paar Schritte zurück, um ihn vorbeizulassen.
    Will marschierte erhobenen Hauptes und mit unbewegtem Gesicht an ihm vorbei und bemühte sich, einen möglichst finsteren Gesichtsausdruck aufzusetzen, während er Georgs Schreibtisch ansteuerte und sich davor aufbaute. Georg und Slavko waren nicht allein. Außer ihnen hielt sich noch ein dritter Mann hier drinnen auf, der auf demselben Stuhl saß wie Will vor einigen Stunden; ein schmalgesichtiger dürrer Kerl in schäbiger Kleidung, dessen Haar zu einem unordentlichen Pferdeschwanz zusammengebunden war und der Will mit Blicken taxierte, die einer hungrigen Ratte zur Ehre gereicht hätten.
    Will kannte ihn nicht, und er schenkte ihm auch nur einen flüchtigen Blick, bevor er sich mit grimmigem Gesichtsausdruck an Georg wandte. »Was soll das?«, fragte er.
    »Was?« Irgendwie brachte es Georg fertig, fast überzeugend den Ahnungslosen zu spielen, aber eben nur fast.
    »Wieso hast du mich eingeschlossen? Bin ich dein Gefangener, oder was?«
    Georg antwortete nicht gleich. Er tauschte einen raschen Blick mit Rattengesicht, und Will glaubte zumindest ein angedeutetes Kopfschütteln zu sehen, war sich aber nicht ganz sicher. Als er sich jedenfalls wieder an ihn wandte, hatte sich Georg perfekt in der Gewalt und spielte nun wirklich überzeugend den Nichtsahnenden. »Die Tür ist immer abgeschlossen, solange kein Publikumsverkehr herrscht.« Er wollte noch mehr sagen, aber Will fiel ihm ins Wort.
    »Ich meine die Tür oben. Wieso hast du mich eingeschlossen?«
    »Eingeschlossen?« Georg verzog nicht eine Miene. »Offenbar nicht erfolgreich genug, sonst wärst du nicht hier. Erinnere mich daran, dass ich die Schlösser austauschen lasse.«
    Es fiel Will jetzt wirklich schwer, weiter ruhig zu bleiben. Er war so wütend, dass er für einen Moment sogar seine Angst vergaß. »Du …«
    »Reg dich nicht auf«, fiel ihm Georg ins Wort. »Eine reine Vorsichtsmaßnahme, mehr nicht. Die Bullen waren schon wieder hier, weißt du?«
    »Meinetwegen?«
    »Jedenfalls nicht, um einen Tisch für heute Abend zu reservieren.« Georgs Stimme klang nicht im Mindestens amüsiert, und als er fortfuhr, hatte seine Stimme wieder den seltsam kalten Klang angenommen, der genauso zu ihm gehörte wie

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