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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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führen, dass er sich etwas besser fühlte. Lautlos schloss er wieder die Tür.
    Zu dem Séparée gehörte eine winzige Duschkabine, die sich den vorhandenen Platz mit einem Waschbecken und einer Toilette teilte, die so angebracht war, dass man sich den Schädel am Spülkasten blutig stieß, wenn man nicht vorsichtig genug aufstand. Will kämpfte eine geraume Weile mit den Armaturen, bis es ihm gelungen war, das Wasser auf eine zumindest halbwegs verträgliche Temperatur einzustellen, und schälte sich umständlich aus seinen Kleidern – ein paar Mal tat es so weh, als wäre der Stoff mit seiner Haut verschmolzen, und zumindest zwei der zahllosen Schrammen, Kratzer und Verbrennungen, die unter seinen Kleidern zum Vorschein kamen, sahen auch ganz genau so aus –, trat unter die Dusche und verbrachte die nächsten zwanzig Minuten mit nichts anderem als damit, einfach dazustehen und das köstliche Gefühl zu genießen, wie prickelndes Wasser über seine Haut lief und zuerst Schmutz und eingetrockneten Schweiß und danach auch den Schmerz fortspülte.
    Als er nach einer kleinen Ewigkeit erfrischt und auch innerlich gereinigt wieder unter der Dusche hervortrat und halb blind nach dem Handtuch tastete, das er sich vorher zurechtgelegt hatte, da kam ihm zum ersten Mal zu Bewusstsein, wie unangenehm seine Situation tatsächlich war. Und da waren auch noch Duffy und diese sonderbare Frau mit den noch sonderbareren Haaren. Er hatte weder das Hippie-Mädchen vergessen noch die Kleine. Der Gedanke an Duffy war im Gegenteil die ganze Zeit über in seinem Hinterkopf gewesen; nicht bewusst, aber so präsent wie ein klopfender Zahn, den man für eine Weile durchaus ignorieren konnte, ohne den pochenden Schmerzwellen, die er durch das Nervensystem sandte, jedoch wirklich zu entgehen.
    Vielleicht, überlegte Will, war es wieder die Stimme gewesen, dieser verdammte Teil von ihm, der ihm immer wieder zuflüsterte, seinen eigenen Vorteil zu suchen und zu nehmen, was er kriegen konnte. Der Gedanke war verlockend: Georg war niemand, dem er vertrauen konnte, aber er war berechenbar, und mit einigem Geschick konnte er, Will, vielleicht tatsächlich Kapital aus der Situation schlagen. Es hatte Vorteile, zumindest für eine Weile als tot zu gelten, und vielleicht reichte die Frist, die ihm übereifrige Journalisten und Georgs Gier verschafft hatten, tatsächlich, um nicht nur Kapital aus der Situation zu schlagen, sondern auch zu verschwinden. Aber wohin? Er hatte kein Geld, um sich falsche Papiere zu besorgen, und – um der Wahrheit die Ehre zu geben –auch nicht die dazu notwendigen Verbindungen. Und außerdem war da immer noch das Mädchen. Es war vollkommen absurd, und sosehr er sich auch anstrengte, fand nicht einmal der masochistischste Teil von ihm irgendein Argument für den Gedanken, er könne schuld daran sein, was Duffy zugestoßen war. Trotzdem war es genau das, was er empfand. Vielleicht musste er aber gar keine Exkursion in die unergründlichen Weiten der Tiefenpsychologie unternehmen, um den Grund dafür herauszufinden. Duffy war ein Kind in Not, und er war ein Erwachsener. Und ganz egal, was sie getan oder auch nicht getan hatte, es war seine verdammte Pflicht und Schuldigkeit, diesem Kind zu helfen. Eine Pflicht, der er nicht nachgekommen war.
    Er trocknete sich ab, benutzte das Handtuch anschließend, um den beschlagenen Spiegel sauber zu wischen, und unterzog sein Konterfei einer eingehenden Musterung. Er sah immer noch nicht besonders gut aus. Unter seinen Augen lagen dunkle Ringe, als hätte er nicht achtzehn Stunden am Stück geschlafen, sondern ganz im Gegenteil drei Nächte durchgemacht, und die Brandwunden auf seiner Stirn fielen mehr auf, als ihm lieb sein konnte. Er hatte einige weitaus schlimmere Verbrennungen an der Schulter und unter dem rechten Rippenbogen, aber die machten ihm weniger Sorgen. Sie taten weh, und wenn er nicht aufpasste, würden sie sich vermutlich entzünden, aber sie blieben unter seiner Kleidung verborgen.
    Er hob die Lider, schnitt seinem Spiegelbild eine Grimasse und verließ das Bad.
    Während er unter der Dusche gewesen war, hatte er offensichtlich Besuch gehabt. Auf dem Sideboard standen zwei weitere Flaschen Bier, und auf dem Bett lagen frische Kleider. Will ignorierte das Bier – wenn er im Moment irgendetwas nicht brauchte, dann war es Alkohol, und vermutlich hatte Georg ihm dieses Geschenk aus ganz genau diesem Grund geschickt –, ging jedoch mit schnellen Schritten zum Bett und

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