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Feuer: Roman (German Edition)

Feuer: Roman (German Edition)

Titel: Feuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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heraus und hielt Will die Schachtel hin. Nach all der Zeit, die er oben in seinem Zimmer eingesperrt gewesen war, verspürte Will einen regelrechten Heißhunger auf eine Zigarette, aber er schüttelte trotzdem nur den Kopf, und Georg zuckte mit den Schultern, zündete sich selbst eine Marlboro an und ließ Zigaretten und Feuerzeug gemächlich wieder in der Schublade verschwinden. Metall blitzte für einen kurzen Moment auf. Das Schimmern eines verirrten Lichtstrahles auf schwarz poliertem Stahl. Will konnte ein Zusammenzucken gerade noch unterdrücken. Er wusste, dass Georg stets eine geladene Waffe in seiner Schreibtischschublade aufbewahrte. Waffen waren nichts Außergewöhnliches in der Welt, in der er sich im Moment aufhielt. Aber er fragte sich, ob Georg wirklich nur nachlässig gewesen war oder ob er gewollt hatte, dass er die Pistole sah. Und wenn ja, warum?
    Georg nahm einen tiefen Zug aus seiner Zigarette, blies eine blau-graue Qualmwolke in Wills Richtung und fuhr dann mit leiserer Stimme und ohne ihn direkt anzusehen fort: »Bettina Schmidt. Eine zwölfjährige Göre aus reichem Elternhaus, die seit einer Woche spurlos verschwunden ist. Die Eltern denken, sie wäre entführt worden, aber die Bullen sind der Meinung, dass sie einfach abgehauen ist. Du bist ihr nicht zufällig begegnet?«
    Wieder schüttelte Will nur den Kopf.
    »Schade.« Georg seufzte. Er sog so heftig an seiner Zigarette, dass die Spitze fast weiß aufglühte, hielt sie dann zwischen Daumen und Mittelfinger vor sein Gesicht und blies zusätzlich in die Glut, während er sie langsam hin und her rollte. »Schade«, sagte er noch einmal. »Es hätte doch sein können, dass du zufällig über sie gestolpert bist und dein großes Herz für kleine Mädchen entdeckt hast? Noch dazu für kleine Mädchen aus einem reichen Elternhaus.«
    »Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst«, behauptete Will. Er versuchte so überzeugend wie möglich zu klingen, aber er hörte selbst, dass seine Stimme leicht zitterte, und spürte, dass er sein Gesicht und vor allem seinen Blick nicht wirklich unter Kontrolle hatte. Also gut. Georg wusste ganz offensichtlich von Duffy. Er hatte die Wahrheit gesagt, als er behauptet hatte, niemanden zu kennen, der Bettina Schmidt hieß, aber ihm war von der ersten Sekunde an klar gewesen, dass Duffy nicht ihr richtiger Name gewesen war, genauso wenig wie Dumarest, von dem sich das Kürzel Duffy angeblich ableiten sollte. Niemand hieß so. Wie konnte Georg von ihr erfahren haben? Ganz sicher nicht von der Polizei, wie er behauptete. Selbst wenn Reimanns Kollegen – woher auch immer – wussten, dass das Mädchen bei ihm gewesen war, hätten sie es ganz bestimmt nicht ausgerechnet Georg verraten.
    »Vielleicht denkst du noch mal drüber nach«, schlug Georg vor. Er blies in die Glut seiner Zigarette, streckte dann die linke Hand aus und tat so, als wollte er die Glut auf seiner Handfläche ausdrücken; vermutlich hielt er das für eine subtile Drohung. »Ich kann dich ja verstehen. Ich nehme es dir nicht übel, wenn du mit dem Gedanken gespielt hast, das Ding allein durchzuziehen.«
    »Was für ein Ding?« Will versuchte es, aber es gelang ihm nicht, seinen Blick ganz von der glühenden Zigarette zu lösen, die fünf Zentimeter über Georgs Handfläche schwebte. Platt oder nicht –die Drohung wirkte. Er wusste, dass Georg keine Sekunde zögern würde, die Zigarette auf seiner Handfläche auszudrücken – oder auch auf einem weit empfindlicheren Körperteil.
    »Ein kleines Mädchen, das von zu Hause wegläuft. Eltern, die Geld bis zum Abwinken haben und halb verrückt vor Angst sind …« Georg sah ihn lauernd an. »Da könnte man schon auf die eine oder andere Idee kommen, oder?« Er schnitt Wills Widerspruch mit einem energischen Kopfschütteln ab. »Wie gesagt: Ich kann dich verstehen. Aber im Moment bist du kaum in der Lage, das Geschäft allein zu machen. Ich meine: Die halbe Stadt hält dich für tot, und die andere Hälfte scheint nach dir zu suchen. Du kannst dich draußen kaum blicken lassen.« Er sog wieder an seiner Zigarette und zerquetschte sie dann so wuchtig im Aschenbecher, dass die Funken flogen. »Warum sind wir nicht ehrlich zueinander?«
    »Wie … meinst du das?«
    »Ganz einfach«, antwortete Georg. »Du sagst mir, wo die Kleine ist, und ich kümmere mich um den Rest.«
    »Du?«, entfuhr es Will.
    »Jetzt tust du mir aber unrecht«, sagte Georg mit einem Ausdruck gespielter Verletztheit in der Stimme.

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