Feuer: Roman (German Edition)
zog sich an. Jeans und Polohemd waren nicht genau seine Größe und ganz und gar nicht seine Preisklasse (vermutlich stammten sie aus Georgs Kleiderschrank), aber zumindest die Schuhe passten genau. Was hatte er erwartet? Dass Georg ihm Reißnägel unter die Einlegesohlen streute? Will schüttelte den Kopf über seinen albernen Gedanken und begab sich dann noch einmal zur Tür, um sie zu überprüfen. Er war nicht überrascht, sie wieder abgeschlossen vorzufinden. Im Gegenteil, er wäre vermutlich eher misstrauisch geworden, wäre es anders gewesen. Und er sparte sich auch gleich die Mühe, ein weiteres Stück Draht oder irgendein anderes Werkzeug zu suchen, um dem Schloss zu Leibe zu rücken. Diese Chance hatte er gehabt, und nicht einmal Georg würde so dumm sein, sie ihm ein zweites Mal zu gewähren.
Da er im Moment ohnehin nichts anderes tun konnte, öffnete er nun doch eine der Bierflaschen, die Georg ihm geschickt hatte. Er setzte sich aufs Bett, nahm die Fernbedienung zur Hand und sah sich die Videokassette ein zweites Mal an.
Kapitel 13
Durch die geschlossene Tür drang gedämpfte Musik und das undeutliche Murmeln der Gäste unten in der Bar, dann und wann unterbrochen von einem schrillen Lachen, einmal auch vom Klirren eines zerbrechenden Glases. Die Bar hatte vor einer Stunde geöffnet, und seit einer halben Stunde drangen mehr oder weniger eindeutige Geräusche durch die dünne Wand, die Wills Zimmer vom Séparée nebenan trennte. Er hatte die dritte Flasche Bier geleert, aber die erhoffte Wirkung wollte sich nicht einstellen. Weder wurde er müde und schlief ein, noch vertrieb der Alkohol diese sonderbar unangenehme Klarheit, die von seinem Denken Besitz ergriffen hatte; ganz im Gegenteil.
Er hatte die Videokassette ein zweites Mal und sehr viel aufmerksamer angesehen, und seitdem zappte er mit der Fernbedienung hin und her, wobei ihn das Unterhaltungsprogramm jedoch nicht interessierte. Vielmehr verfolgte er aufmerksam jeden Nachrichtenfetzen, den er noch erwischen konnte, und nichts von dem, was er sah oder hörte, war in irgendeiner Form dazu angetan, ihn zu beruhigen. Dabei war es im Großen und Ganzen bei dem geblieben, was er ohnehin schon gewusst hatte. Die Nachrichtensendungen der öffentlich-rechtlichen Programme unterschieden sich im Auftreten ein wenig von denen ihrer privaten Konkurrenz und versuchten sich zumindest den Anschein größerer Seriosität zu geben, aber am Ergebnis änderte das nichts. Der Feuerwehr war es im Laufe des Tages gelungen, den Brand endgültig zu löschen, aber mittlerweile war das Gebiet weitläufig abgesperrt worden, so dass es keine Neuigkeiten und nur sehr wenige neue Bilder gab, die allesamt von einem über dem ausgebrannten Wohnblock kreisenden Hubschrauber stammten und kaum mehr als geschwärzte Ruinen und Qualm zeigten. Noch immer kein Wort von Reimann. Nicht einmal in dem zusammengeschrumpften Anteil der Nachrichten, die sich nicht mit dem Großbrand befassten, fand sich auch nur irgendeine Bemerkung über Duffy oder einen verbrannten Volvo. Dafür ein langer Bericht über Falkenberg, der sein Leben bei dem tapferen Versuch eingebüßt hatte, eventuell Überlebende aus dem brennenden Haus zu retten (an dieser Stelle der Nachrichten hätte Will fast laut aufgelacht), und ein nicht ganz so langer und wenig schmeichelhafter Bericht über ihn selbst, der sich im Wesentlichen auf seine Vorstrafen und zwei kurze Interviews mit Leuten beschränkte, die ihn zwar kaum gekannt hatten, trotzdem aber eine Menge über ihn zu erzählen wussten.
Das Geräusch der Tür riss ihn aus seinen Gedanken, und Will setzte sich auf und blinzelte einen Moment lang fast verständnislos in Slavkos Gesicht. Aus irgendeinem Grund war er überzeugt davon gewesen, dass Georg Rattengesicht schicken würde, um ihn zu holen, aber anscheinend zog er es vor, schwereres Geschütz aufzufahren. Slavko sagte kein Wort, sondern bedeutete ihm nur mit einer knappen Geste, aufzustehen und ihm zu folgen, und Will beeilte sich, dem Befehl nachzukommen. Mittlerweile war es ihm fast egal, was Georg von ihm wollte oder was er mit ihm vorhatte. Er wollte nur aus diesem verdammten Zimmer heraus.
In der Bar herrschte mäßiger Betrieb. Zwei Pärchen saßen in den kleinen, nur mit Kerzen beleuchteten Nischen, und an der Theke lümmelte ein einzelner, schon halb betrunkener Gast herum und hielt sich an seinem Bier fest, während zwei von Georgs Mädchen ihn vergeblich zu animieren versuchten, etwas Teureres
Weitere Kostenlose Bücher