Feuer / Thriller
schmiegte sein Gesicht in ihre Hand. »Ich kann nicht denken«, gab er zu. »Kann kaum atmen.«
Ihr Daumen strich sanft und tröstend über seine Lippen. »Dann denke eben ich für dich, nur für ein Weilchen jedenfalls. Sieh nach Glenn. Ich rufe dich an, sobald ich etwas erfahre.«
»Was ist mit Lincoln?«
»Dr. Donahue ist bei ihm. Man hat ihn heute Morgen mit Sedativa ruhiggestellt. Er hat wohl gehört, wie zwei Wachleute über den dritten Brand geredet haben, und ist durchgedreht. Dr. Donahue hat versprochen, mir sofort Bescheid zu geben, wenn er wieder halbwegs klar ist. Dann melde ich mich auch bei dir, so dass du dabei sein kannst, wenn ich mit ihm rede.«
Er zog sie an sich und hielt sie fest, und seine Stimme brach, als die Worte kamen: »Ich sehe sie die ganze Zeit vor mir. Mit der Pistole am Kopf.«
»Ich weiß«, flüsterte sie. Reglos blieb sie noch einen Moment lang stehen, dann machte sie sich los. »Ich muss wieder rein. Ich gebe dir Bescheid, sobald ich etwas erfahre, versprochen. Wir finden sie, David.«
Er wusste, dass sie alles in ihrer Macht Stehende tun würde, um ihr Wort zu halten, aber er konnte nicht einfach herumsitzen und warten. Er wandte sich ab und kehrte zu Tom zurück. »Los, Kleiner. Zeig mir, was du kannst.«
Mittwoch, 22. September, 15.45 Uhr
Olivia stand an der Glasscheibe in Abbotts Büro und sah David hinterher, der neben Tom auf den Fahrstuhl zuging. »Ich hasse das«, murmelte sie. Zwei verschiedene Prioritäten. Ein Mann mit einer Pistole, eine Frau mit Drogen. Beide mordeten. Aber die Frau hatte eine Geisel.
»Das tun wir alle«, sagte Abbott. »Setzen Sie sich. Wir müssen einen Plan ausarbeiten.«
Sie hatten die Kurznachrichten von allen Handys gesichtet und auf diese Art eine Chronologie der Ereignisse rekonstruiert. Dazu hatten sie sich immer wieder die Videos angesehen, und sie waren sicher, dass die Studenten nichts von Tracey Mullens Anwesenheit im Neubau gewusst hatten.
»Das erste Feuer haben sie definitiv gelegt, um ein Zeichen zu setzen«, sagte Noah. »Joel war der Engagierte, aber wir können wohl davon ausgehen, dass Mary die Glaskugel als Tribut an Moss dort deponiert hat. Sie war schließlich mit Lincoln befreundet.«
»Sie war doch erst elf, als Moss damals die ersten Brände legte«, wandte Micki ein.
»Aber in radikalen Kreisen ist er eine Legende.« Barlow zuckte mit den Schultern. »Irgendwie wird sie von ihm gehört haben. Vielleicht durch einen Lehrer oder ein Elternteil oder vielleicht hat sie ihn beim Surfen im Netz entdeckt.«
Olivia warf erneut einen Blick in die Personalunterlagen, die sie von Truman Jefferson und der Universität bekommen hatten. »Dreiundzwanzig, Single, Eltern verstorben. Sie zahlt die Studiengebühren selbst, keine Kredite oder staatliche Förderung. Sie muss aber irgendwo noch eine Geldquelle haben. Die Sekretärinnenstelle im Maklerbüro bringt nicht genug ein, um Zimmer und Verpflegung zu finanzieren.«
»Unter der Rubrik ›im Notfall zu verständigen‹ steht nichts«, fügte Noah hinzu. »Eine Einzelgängerin, wie es scheint.«
»Mit einer Vorliebe für intravenös verabreichte Drogen«, sagte Olivia. »Laut ihren Unterlagen hat sie Philosophie studiert, im vergangenen Frühling aber auch Umweltethik belegt. Dort wird sie Joel kennengelernt haben.«
»Der Wagen, den sie vor Trumans Büro abgestellt hatte, war bezahlt«, sagte Noah. »Außer dem Laptop haben wir nichts von Bedeutung gefunden. Registriert war das Auto auf die Adresse im Wohnheim.«
»Aber zu wem fährt sie in den Semesterferien?«, fragte Micki.
Olivia warf den Zettel frustriert auf den Tisch. »Hier ist nur ein Postfach. Verdammter Mist.«
»Okay«, sagte Abbott. »Wir haben Mary überprüft, so gut es ging, und hängen fest. Reden wir über den Erpresser, denn irgendwo muss eine Verbindung bestehen.«
Olivia nickte. »Der Erpresser muss gewusst haben, dass die vier den Brand im Neubau legen wollten, denn er hat die Kamera mitgebracht. Er kannte außerdem Tomlinson und Dorian Blunt. Auch da muss eine Verbindung bestehen. Auf einer Ebene hängen sie alle miteinander zusammen. Nur wo und wie?«
»Der Erpresser ist der Schütze«, sagte Micki. »Er ist ums Haus gegangen, wo sich Austin versteckt hatte.«
»Austin sagte, er sei losgelaufen, sobald er den Rauch gerochen hat«, meldete sich Abbott zu Wort. »Er kam an der Uferseite hinaus und merkte erst dort, dass Tracey nicht mehr hinter ihm war. Die Brandstifter hat er nie gesehen:
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