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Feuer um Mitternacht

Feuer um Mitternacht

Titel: Feuer um Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boy Lornsen
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Zwei Klopf töne! Unser Signal!
    Wir hatten es verabredet für den Fall, daß wir dringend miteinander sprechen wollten. Ich klappte das Heft zu und riß das Fenster auf.
    „Der von der Kripo ist da“, sagte Sylvie atemlos.
    „Rasch — erzähl!“
    „Er sitzt bei uns im Wohnzimmer und trinkt mit Jumbo Cognac. Die Pfeile und unsere roten Hähne liegen vor ihnen auf dem Tisch. Sie haben schon nach Fingerabdrücken gesucht und wundern sich jetzt, daß keine drauf sind. Müßten eigentlich welche drauf sein, behauptet der Kripomann — welche von Sönderup, von den Nachbarn, von Jumbo... Verstünde er nicht, sagte Jumbo. Der andere konnte es sich auch nicht erklären. Du, ich hab’ ‘ne ganze Weile vor der Tür gestanden und gelauscht, hab’ aber nicht alles mitbekommen und behalten können, was die beiden beredet haben. Von dir haben sie auch gesprochen. Aber Jumbo hat nichts Schlechtes über dich gesagt, Markus. Bestimmt nicht! Er wurde sogar ziemlich grantig, als ihn der andere über dich ausquetschen wollte — du weißt schon… Sagte, er wünschte, daß es überhaupt keinen Brandstifter gäbe — , besonders keinen aus Tarrafal. Zwischendurch bin ich mal rein gegangen und hab’ mir von Jumbo Geld für einen Zeichenblock geholt. Dabei hab’ ich mir den Mann angeschaut — du, gegen meinen Vater ist der ein Zwerg. Jetzt muß ich schnell noch den Zeichenblock besorgen. Wollte dir nur zuerst Bescheid sagen.“
    „Danke“, sagte ich.
    „Tschüs“, sagte sie.
    Da wunderten sich zwei, daß sie keine Fingerabdrücke fanden — ich nicht! Sylvie hatte sie abgewischt, und das war ihre Idee gewesen. Sie redete mir ein, die Fingerabdrücke müßten weg, danach würde immer zuerst gesucht. Von Jumbo hatte sie gehört, daß diese Abdrücke eine Art Visitenkarte wären — so als hätte man seinen Namen mit Adresse zurückgelassen. Ich sollte mir keine Sorgen machen — sie würde das für mich tun. Wo die Schlüssel hingen, wüßte sie.
    Alles in Ordnung! versicherte mir Sylvie einen Tag später auf dem Schulhof. Sie hätte die Pfeile und Karten gründlich mit einem Lappen abgerieben.
    Jumbo Tackert sagte nichts Schlechtes über mich. Und wenn er zehnmal Polizist war.
    Ich rede sonst nicht darüber: Vor etwas über einem Jahr habe ich Sylvie aus dem Wasser geholt! Im letzten Augenblick, bevor es zu spät war.
    Das hatte sich auf der Anlegebrücke in Nordermarsch zugetragen, einem baufälligen Holzsteg an der Bucht, zwei Kilometer nordwestlich von Tarrafal. Mein kleines Boot lag da an der Boje vertäut. Ich wollte nachsehen, ob das Wasser schon über den Bodenbrettern stand. Die vergangenen drei Tage hatten viel Regen gebracht. Sylvie und ich trafen uns zufällig. Drei dicke Damen in prallgefüllten Hosen standen auch noch auf der Brücke. „Wundervoll“, sagten sie zu den Wellen, die mit Schaum im Maul gegen die Brücke anstürmten. „Wie niedlich“, sagten sie zu den Möwen, die ihnen mit heiserem Geschrei die Brotstücke aus den Fingern rissen. Nicht niedlich — gefräßig waren die Biester. Sylvie turnte ziemlich leichtsinnig auf den Pollerköpfen herum. Ich bin sonst kein Kindermädchen; aber ich warnte trotzdem: „Paß auf, daß du dir keine nassen Klamotten holst.“ — „Paß du auf dich selber auf, Markus Unschlitt!“ bekam ich zur Antwort. Da konnte man nichts machen. Dann mußte ich dringend austreten; ich hatte es mir schon zu lange verkniffen. Als ich wieder aus dem Holzhäuschen herauskam, hörte ich das Geschrei schon von weitem: „Hilfe! Hilfe!“ Zwei von den Dicken rannten wie unklug auf dem Brückenende herum. Die dritte kam mir entgegengekeucht. „Sie kommt nicht wieder hoch! Ich rufe den Rettungswagen.“ Sylvie! Ich ahnte, was sich zugetragen hatte und sprintete los. „Wo?“ fragte ich nur und hatte schon die Schuhe herunter, bevor mir zwei Hände zugleich die Stelle zeigten. Ich hechtete ins Wasser. Springflut und Wind hatten so viel Wasser durch das Nordtief gedrückt, daß es einen Meter über Normal vor der Brücke stand. Die Wellen rührten den Schlick auf, und als ich die Augen aufriß , sah ich kaum etwas in der trüben Brühe. Ich konnte tauchen wie ein Seehund, lange untenbleiben . Vater hatte mir beigebracht, wie man langsam die Luft abblasen muß. Ich fand sie nicht, tauchte auf, atmete durch, sog neue Luft in die Lungen. Über mir starrten zwei Masken aus weit geöffneten Augen — stumm. Ich rollte nach vorn über und tauchte mit dem Kopf zuerst weg. Diesmal fand ich

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