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Feuer um Mitternacht

Feuer um Mitternacht

Titel: Feuer um Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boy Lornsen
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Gewissensentscheidung vor.
    „Wenn Sie mich so direkt fragen, muß ich wohl... Ich sag’s nicht gern. Aber wo Sie doch auch nur Ihre Pflicht tun: Nehmen Sie diesen Markus Unschlitt mal unter die Lupe!“ Der erste wollte nichts preisgeben. Der zweite sprach den Namen aus. Ich hätte ihn lieber vom Kollegen Tackert gehört.
    Ich faßte nach, wollte Beobachtetes, wollte Tatsachen von ihm. Aber wie ein schleimiger Aal glitt er mir immer wieder durch die Finger.
    Ja, Peter Sönderup hätte auch an Markus Unschlitt gedacht. (Gedacht! Einen Toten konnte ich nicht mehr befragen!) Er, Küppers, habe nichts gesehen. Irgendwann mal vor dem Brand einen huschenden Schatten vom Wohnzimmerfenster aus, ja. Kein Gesicht, nichts, um einen Eid darauf zu leisten. (Mit Leuten ohne Gesicht und anderen, die nichts beschwören wollten, hatte ich dauernd zu tun.) In der Brandnacht sei er von der Sirene aus einem festen Schlaf gerissen worden und blitzschnell in die Uniform gefahren. Draußen erst habe er das Schreckliche gesehen: das brennende Nachbarhaus! Seine Schlafzimmerfenster gingen zur anderen Seite. Ein paar Nachbarn, von roten Flammen angestrahlt. Und Christine Sönderup, im Nachthemd, weinend. Peter Sönderup noch im Haus, aber für ihn habe niemand mehr etwas tun können: eine prasselnde Flammenwand, kochende Hitze, Rauch aus zersprungenen Fensterscheiben. Man stand ohnmächtig davor. Dann sei er mit keuchenden Lungen zum Gerätehaus gerannt, um seine Leute zur höchsten Eile zu ermahnen. Seine Pflicht. Drei Wehren in kürzester Zeit zur Stelle und trotzdem zu spät. Nichts mehr zu retten... der elende Wind.
    „Herr Küppers, Sie sind Fachmann: Wie lange mag es dauern, bis sich ein Feuer zu einem unlöschbaren Brand entwickelt?“
    „Rasend schnell! Strohdach und starker Wind — es dauert keine zehn Minuten, dann lodert das Dach von vorn bis hinten, und in weiteren zehn Minuten ist alles vorbei.“
    Ich hatte genug. Nur eine Frage noch, und ich war gespannt, wie er sich dann benahm.
    „Herr Küppers, wo waren Sie in der Brandnacht? Ich meine — vor Ausbruch des Feuers?“ Können Sie Zeugen benennen? hätte ich gern hinzugefügt, ließ es aber. Die Medizin reichte ihm auch so.
    „W — was..? Ich..? Wollen Sie etwas damit...“ Er war wütend, zitterte beinahe, zischte die Worte heraus. „Wollen Sie mich verdächtigen?“
    Ich sagte nichts, ließ ihn schmoren.
    „Verdammt noch mal! Was soll das! Ich war bei Sellmer , Anton Sellmer , dem Antiquitätenhändler. Da — da drüben!“ Er schluckte und peitschte mit dem knochigen Zeigefinger in eine Richtung schräg hinter seinem Rücken. „War nicht mal eine Stunde bei ihm, hatten Geschäftliches zu bereden. Sellmer kann alles bezeugen. Dann bin ich durch die Hintertür hinausgegangen — zum Kliff, wenn’s Sie interessiert! Wollte vor dem Schlafengehen die Nase noch mal in den Wind strecken. Danach bin ich ins Bett gefallen und sofort eingeschlafen. Dagegen gibt’s doch wohl nichts zu sagen, wie?“
    Ich hatte eine Rakete unter seinem Hintern gezündet. Sie zischte — gleich brauste sie mit ihm ab.
    „Ich begreife Ihre Aufregung nicht, Herr Küppers, das sind Routinefragen, die ich noch mehr Personen stellen muß. Als Chef einer Feuerwehr müßten Sie doch wissen, wie unsere Dienststelle arbeitet...“
    Er wollte nach mir schnappen, machte dann aber nur eine ärgerliche Handbewegung, drehte sich um und ging rasch weg.
    Als Feuerwehrhauptmann mochte er nicht übel sein. Als Mensch gefiel er mir nicht. —
    Über den Wall hinweg schaute ich in einen verwilderten Garten. Vielleicht sah er auch nur um diese Jahreszeit verwildert aus. Ein paar Obstbäume standen mit gebeugtem Rücken im alten Gras. Das Unkraut hatte sich überall hingeschmuggelt. Bei den Johannisbeersträuchern faulten die Reste eines alten Ziehbrunnens vor sich hin. Ein allmächtiger Efeu umklammerte das Haus von drei Seiten — das Nachtasyl für die Tarrafaler Spatzen.
    An der Vorderfront tiefsitzende Fenster mit kleinen, quadratischen Scheiben — gut unter Farbe gehalten. Ein mit faustgroßen, runden Kieseln gepflasterter Weg zeigte auf den Eingang. Wie ein grüner Starenkasten zur ebenen Erde klebte der seltsame kleine Holzvorbau an der Mauer vor der Haustür. Er sollte wohl eine Art Windfang darstellen. Hier war die Zeit stehengeblieben.
    Immerhin lehnte sich eine Fernsehantenne gegen den Schornstein, und ein paar elektrische Leitungsdrähte führten ins Haus. Daraus schloß ich, daß ich wohl doch

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