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Feuer um Mitternacht

Feuer um Mitternacht

Titel: Feuer um Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boy Lornsen
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muß ich genau beschreiben; denn wäre ich nicht so stur und pinselig in meinen Vorbereitungen gewesen, hätte man mich erwischt oder sonst was wäre schiefgegangen.
    Mit den Pfeilen hatte ich Schwierigkeiten. Ich probierte einige Zeit herum, bis ich die richtige Länge, den Platz für die Rote-Hahn-Karte — überhaupt die Machart herausfand. Aber es mußte sein. Meine Pfeile sollten gut in der Luft liegen und ihr Ziel erreichen. Als Spitze feilte ich einen Nagel scharf an, drückte ihn in das Schilfrohr und leimte ihn mit Uhu-hart fest. Das Schilf zog ich aus Tante Lenes Stapel. Mit dem Bogen machte ich keine großen Umstände: ein frischgeschnittener Weidenstock und etwas Angelsehne genügten. Zwei Kerben am Stock, ein Sehnenende festgebunden und das andere zu einer Schlinge geknotet, so daß ich den Bogen schnell spannen und entspannen konnte. Meine Schießübungen erledigte ich am menschenleeren Süderhaff . Vom Flutsaum klaubten wir — Sylvie begleitete mich — Seetang zusammen, schichteten es zu einem großen Haufen auf, der mir anstelle eines Daches als Ziel dienen sollte. Sorgfältig schritt ich die Entfernung ab, auf die ich später schießen mußte. Während ich übte, schaute Sylvie von Zeit zu Zeit über die Deichkrone, um uns vor Überraschungen zu sichern. Mit gewöhnlichen Pfeilen zu schießen war keine Kunst und hätte auch keine besonderen Übungen erfordert. Die im Pfeil eingeklemmte Karte brachte Schwierigkeiten mit sich. Aber ich fand den Trick dann doch heraus: Man mußte mit senkrecht gehaltenem Bogen schießen, die Karte genau parallel zum Stock ausrichten, die Hand tief unter dem Pfeil ansetzen, den Daumen nach oben...
    Dann wartete ich auf eine windstille Nacht, damit mein Pfeil nicht aus der Flugrichtung abgedrängt wurde.
    Diese Nacht kam.
    Ich legte mir alles zurecht. Ich löste die Schlaufe vom Bogen, richtete den Stock wieder gerade; denn ein gespannter Bogen ließ sich schlecht verbergen. Eine Reservesehne wickelte ich auf ein Pappstück, Stock und Pfeil drehte ich zusammen in Packpapier ein. Die Rote-Hahn-Karte brachte ich in der Brusttasche meines Anoraks unter. Das lange Bündel schob ich stramm unter die Achselhöhle und drückte es mit dem ausgestreckten Arm leicht an meine rechte Körperseite. So machte ich mich auf den Weg. Halb zwölf zeigte meine Uhr, als ich über Hageldorns Wall schaute. Ringsum waren die Fenster dunkel. Die Stunde war richtig abgepaßt ; schließlich hatte ich die Zubettgehzeiten in dieser Dorfecke lange genug studiert. Meine Handgriffe tat ich besonnen und ohne Eile. Ich wickelte mein langes Paket aus, faltete das Papier zu einem handgroßen Ballen, schob ihn tief in die Gesäßtasche, schloß den Knopf. Man kann über meine sture Bedächtigkeit lachen, aber ich glaube, nur weil ich alles so genau plante und mich an meinen Plan hielt, erwischte man mich nicht. Ich spannte den Bogen, schob die Karte in den Pfeil und lehnte dann Bogen und Pfeil an den Stamm der Kastanie, um mir einen geeigneten Abschußplatz auszusuchen. Ich fand ihn: Oben auf dem Wall, drei Meter links von der Kastanie, kam mir der lange Ast nicht in die Schußlinie , und ich konnte mein Ziel, die Giebelecke, in gerader Richtung anvisieren. Ich klemmte mich zwischen die Heckenrosen, suchte einen sicheren Stand, legte den Pfeil auf die Sehne, lauschte einen Augenblick gebückt, ob nicht doch irgendwo Schritte knirschten. Dann hob ich den Bogen, richtete die Karte aus, zielte... ließ los! Die Sehne zirpte leise, und ein bleiches Irrlicht segelte über die Straßenbreite, senkte sich, setzte sich auf Peter Sönderups Dach. Ich warf den Bogen nach hinten und schaute durchs Glas: Der Pfeil steckte einen Meter vom Giebel entfernt im Reet — ein guter Schuß. Sönderup mußte eine Leiter anlegen, um ihn dort herunterzupflücken.
    Vier Wochen wartete ich, bis ich den zweiten Pfeil schoß. Diesmal glückte der erste Schuß nicht — die Karte hakte, der Pfeil landete auf Sönderups Wall. Ich holte ihn mir und schoß von der Straße aus. Und eine Woche später steckte ich den dritten und letzten Pfeil mit der Hand in Sönderups Dach, um eine Panne zu vermeiden. —

    Tante Lenes Petroleumlampe brannte immer noch. Und dort drüben saß er jetzt.
    Der Kriminalobermeister... Der Mann im grauen Mantel...
    Ich werde ihn „Graueule“ taufen, dachte ich.
    Sylvie wird kichern...

Theo Bank:
ein Gespräch mit Lene Steenkamp

    Sie wußte etwas! Das spürte ich. Ich war kein Anfänger in meinem

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