Feuer um Mitternacht
Polizei, genauer gesagt, für das Brandermittlungsdezernat — mein Fall. Schon der Brand allein hätte genügt, um uns auf den Plan zu rufen: nachprüfen, ob Fremdverschulden vorliegt, heißt es in unserer Fachsprache. Der Tod des Peter Sönderup scheint ein Unglücksfall gewesen zu sein. Ich sage: scheint! Eine Bestätigung dafür muß morgen die Obduktion ergeben. Ich glaube, man wird ,Tod durch Verbrennung“ feststellen. Ein Unglücksfall als Folge eines Feuers. Aber wie entstand das Feuer? Eine windige Nacht. Kein Gewitter in unmittelbarer Nähe, keine Blitze, die Brandursache sein könnten. Auf dem Dachboden des Hauses waren keine elektrischen Leitungen und Geräte installiert. Im Giebelzimmer nur Lampe und Steckdose. Die Möglichkeiten für einen Unglücksfall sind gering. Wie steht es mit Fahrlässigkeit? War Sönderup ein gedankenloser Mensch? Einer, der im Bett rauchte und darüber einschlief, Frau Steenkamp?“
„Peter Sönderup war die Pedanterie in Person. Übergenau in Kleinigkeiten. Bei ihm fiel keine Zigarrenasche auf den Teppich. Ehemaliger Sparkassenleiter in Tarrafal.“
„Danke“, sagte ich, „wir kommen noch auf Sönderup zurück. — Also: noch keine Tatsachen, die für Unglück oder Fahrlässigkeit sprechen. Dafür andere, recht seltsame Begleitumstände: ein abmontierter Wetterhahn, ein umgesägter Birnbaum und anderes. Dummejungenstreiche? Es scheint so. Sie begannen auffällig bald nach dem Tod von Markus Unschlitts Vater. Ein tragischer und unerklärlicher Selbstmord, wie ich hörte...“
„Tragisch, ja. Aber nicht unerklärlich.“ Das ging sie selber auch an. Es war Trauer und Bewegung in ihrer Stimme. „Darüber müssen wir auch noch sprechen“, sagte ich. Aber ich wollte der Reihe nach vorgehen, wollte meinen Faden nicht verlieren. „Zuerst Streiche, dann dies: Rohrpfeile in Sönderups Dach! Pfeile, in deren Schaft eine Karte mit der Darstellung eines roten Hahns eingeklemmt war — drei Pfeile und drei Karten. Rote Hähne... eine Feuerdrohung? Das war kein Dummejungenstreich mehr! Und drei Tage nach dem letzten roten Hahn brannte Sönderups Haus! Zwei Pfeile und zwei Karten stellte Polizeiobermeister Tackert sicher. Ich habe sie gesehen und auf Fingerabdrücke untersucht: Es sind keine Fingerabdrücke vorhanden. Jemand muß sie abgewischt haben! Das, Frau Steenkamp, sind Tatsachen, die deutlich auf Brandstiftung hinzeigen.“ Sie sagte nichts dazu. „Diese roten Hähne wurden mit einer Kartoffel gedruckt — erinnert an Kinder, nicht?“
„Ich kann auch mit Messer und Kartoffeln umgehen“, sagte sie. „Vielleicht auch Hähne schnitzen und drucken.“ „Kollege Tackert hat mir etwas Ähnliches zu verstehen gegeben. — Er ist wohl sehr beliebt in Tarrafal?“
„Willi Tackert ist ein Mensch, der sich Mühe geben muß, als Polizist aufzutreten, und solche Leute mögen wir im Dorf.“
„Mensch und Technik waren gegen das Feuer machtlos“, fuhr ich fort. „Der Wind heizte ein, und das alte ausgetrocknete Holz brannte wie Zunder. Als die erste Feuerwehr ihre Schläuche anschlug, stürzte bereits der Dachstuhl ein, und Peter Sönderup lag darunter. In nicht mal zwanzig Minuten war alles geschehen. Sönderups Leiche wurde beim ersten Tageslicht aus den Trümmern geborgen. Das sind die Ereignisse, von denen ich weiß. Und dann kommen die Gerüchte...“
„Gerüchte!“ sagte sie verächtlich. „Gerüchte stimmen selten und gedeihen überall, sie können Menschen umbringen.“
„Vielleicht brachten sie Peter Sönderup um?“
„Verdrehen Sie mir nicht das Wort im Mund. Sie wissen, wie ich es gemeint habe. Sönderups Tod war ein Unglück. Das haben Sie selber zugegeben. Niemand kann die Ereignisse bei einem Feuer vorausberechnen... Willi Tackert hat Ihnen wohl nicht gern von diesen Gerüchten erzählt?“
„Sehr ungern! Aber Tackert kann sich nicht um eine Meldung herumdrücken. Er muß weitergeben, was ihm bekannt ist, und dazu gehören auch Gerüchte. Übrigens — gibt es einen Grund, warum Polizeiobermeister Tackert nicht mit mir über Markus Unschlitt sprechen möchte?“
„Ja, es gibt einen: Markus rettete seine Tochter vor dem Ertrinken. Vor einem Jahr.“
„Also darum...“, murmelte ich.
„Ja, darum!“ sagte Lene Steenkamp.
„Bevor wir von diesen Gerüchten sprechen... Ich bin ortsfremd; ich kenne weder die Menschen noch ihre Lebensumstände. Ich muß versuchen, von anderen zu erfahren, was mir wichtig erscheint — von Ihnen, zum Beispiel. Ich
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