Feuer und Glas - Der Pakt
schon lange nicht mehr in Gebrauch war, und zog plötzlich einen schmutzigen Beutel hervor.
»Warte!« Mit ein paar Sätzen war Marco bei dem Jungen. »Damit ist nicht zu spaßen.«
»Was wirst du nun damit machen?«, fragte Ganesh. Aufgeregt legte er den Kopf schief und zupfte mit einer Hand an seinem großen Ohr.
»Der schlimmste Feind des schwarzen Feuers ist Wasser«, sagte Marco, holte aus und warf den Beutel in weitem Schwung in den nahen Kanal. »Nichts macht ihm gründlicher den Garaus.«
Er sah dem Beutel nach, der auf das stille, dunkle Wasser platschte und mit einem leisen Blubbern versank. Dann wandte er sich Marin zu. »Wie viele Männer kannst du abstellen?«
»Alle, die ich habe. Und ich kann noch mehr Wasserleute zusammentrommeln.«
»Dann tu das! Lass sie ganz Dorsoduro durchkämmen, jedes Haus, jeden Schuppen, jeden Stall, je gründlicher, desto besser. Und wenn sie etwas finden – du hast ja gerade gesehen, wie man das Teufelszeug am besten wieder los wird. Die anderen Männer sollen mich zurück nach San Marco begleiten, von dort aus schwärmen wir dann weiter nach San Polo, Castello und Cannaregio aus.«
»Nehmt meine Gondeln«, sagte Marin. »Damit kommt ihr schneller voran.«
Marco drehte sich um, wirkte plötzlich angespannt und fahrig.
»Noch sind sie nicht da«, sagte er. »Und doch spüre ich schon ihren Atem im Nacken.«
»Sie? Wirst du verfolgt?«
»Sie hetzen mich, seitdem sie meine Spur wieder aufgenommen haben. Die Bluthunde der Hölle – so hat der Admiral sie genannt.«
Kurz nachdem Murano hinter ihnen lag, begann die blaue Gondel zu leuchten. Es vollzog sich ganz allmählich, als sei tief in ihr ein Licht entzündet worden, das zunehmend strahlender wurde.
Milla glaubte zunächst ihren Augen nicht zu trauen.
Auch der Kater schien zu bemerken, dass sich etwas Ungewöhnliches vollzog. Aufregt lief er vom Bug zum Heck und wieder zurück. Sie hatten ihn unter einer Taurolle gefunden, in die er sich zurückgezogen hatte, als wollte er sich keinesfalls davon abbringen lassen, sie zu begleiten.
»Luca!«, rief sie, als das Leuchten immer intensiver wurde. »Siehst du das?«
Aufgeregt drehte sie sich zu ihm um.
Er nickte, ohne seinen Ruderrhythmus zu verändern. Seit sie die Werft verlassen hatten, war auch sein blaues Leuchten immer stärker geworden.
»Wenn die Karte richtig ist, kann es nicht mehr weit sein bis Ondana.« Der Blick, den Luca ihr zuwarf, war so intensiv, dass sich Milla rasch wieder nach vorne wandte.
Im Sommer vereinen sich Licht und Wasser, so hatte Nikos es damals im Bootshaus beschrieben, als sie ihn nach der Insel gefragt hatte. Alles beginne zu flimmern, bis die Umrisse verschwinden und man nicht mehr weiß, was man sieht, oder ob man überhaupt etwas sieht …
Milla berührte den Rand des offenen Kästchens, in dem die gläserne Gondel lag.
War sie wirklich der Schlüssel zu der magischen Insel?
Die Lagune war heute wie ein Glasfluss, durchscheinend, scheinbar gewichtslos. Es glitzerte, kräuselte und wellte sich. Gold und Blau verschmolzen zu leuchtendem Flirren. Der Horizont erschien unendlich weit.
Alles um sie herum war Meer und Licht. Fast gelang es dem Zauber der Lagune, ihr die Angst und Aufregung zu nehmen.
Milla kniff die Augen zusammen. Eine Sinnestäuschung – oder konnte tatsächlich wahr sein, was sie vermutete?
Vor sich, wie in weiter Entfernung, schien sich das Flirren immer mehr zu verdichten. Wo gerade noch Wellen gewesen waren, vom Sonnenlicht durchbrochen, zeichneten sich nun feste Konturen ab.
Sie sprang auf, das Kästchen fest an sich gedrückt.
»Das ist sie!«, stammelte sie. »Ondana – ich kann die Insel sehen!«
Alle Gondeln hatten am Himmelfahrtstag Trauerflor zu tragen, so hatte Doge Leonardo Loredan es wegen der vernichtenden Niederlage der venezianischen Truppen angeordnet. Und dennoch war die Prozession, die dem Bucentauro vom Riva degli Schiavoni aus hinaus in die Lagune folgte, so prächtig wie selten zuvor. Die schwarzen Schleier brachten die frisch restaurierten Farben noch stärker zum Leuchten.
Am meisten strahlte die Staatsgaleere: Die Vielzahl vergoldeter Figuren, die sie schmückten, reichte von Nixen und Nereiden bis hin zu dicken Fischleibern und springenden Delfinen. Natürlich durfte auch der geflügelte Löwe nicht fehlen: Er prangte am Bug, das geöffnete Buch mit den Worten des Engels in der Pranke.
Es war das Fest der Feste, auf das die ganze Stadt sonst monatelang hinfieberte. Diesmal
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