Feuer und Glas - Der Pakt
Nichte in Richtung Küche verschwanden.
»Sei gefälligst freundlicher zu unseren Gästen«, zischte Ysa. »Das hab ich dir neulich schon gesagt. Wie kannst du den jungen Mann nur so anraunzen!«
»Er ist kein Gast«, widersprach Milla heftig.
Jetzt ärgerte sie sich plötzlich, dass sie Ysa noch nicht auf jene Feuerleute angesprochen hatte, die sie im Hof bedrängt hatten. Aber hatte die Tante es nicht äußerst geschickt einzurichten gewusst, dass sie niemals allein gewesen waren?
»Was dann?«
»Mit dem stimmt etwas nicht.«
Ysas dunkle Augen verengten sich. »Wie meinst du das?«
»Er war an der Mole! Hast du ihn dort nicht gesehen? Dieser Marco weiß etwas, das er nicht preisgeben will. Etwas über Vater. Und jetzt sitzt er hier, bei uns. Soll das vielleicht ein Zufall sein? Ich glaube nicht daran!«
Ysa packte sie am Arm, zog sie in die Küche und von dort aus weiter in den Hof.
»Verrenn dich nicht, Milla! Sonst muss ich mir noch mehr Sorgen machen.«
»Hast du nicht gesagt, dass ich meinen Vater in mir trage und mich an alles erinnern soll?«, fuhr Milla auf.
»Das heißt aber noch lange nicht, dass du überall Gespenster sehen musst.«
»Und diese Männer aus Murano? Waren das vielleicht auch Gespenster?«, fragte Milla.
Ysa schien einen Augenblick zu überlegen, dann schüttelte sie den Kopf.
»Dazu wäre tatsächlich einiges zu sagen. Aber nicht jetzt.«
Ysa wich ihr aus, ja mehr noch, sie tat, als sei sie zu dumm, um die Wahrheit zu verstehen!
Zorn überrollte Milla wie eine Welle, machte ihren Bauch gefühllos und ihren Kopf eigenartig leicht. Sie atmete langsam ein und aus, wie ihr Vater es sie gelehrt hatte, und nach einer kurzen Weile wurde sie ruhiger. Jetzt konnte sie zurück in die Küche gehen, wo Savinia mit hochroten Wangen am Herd rührte.
»Die letzte Fischsuppe«, sagte sie. »Und wenn Angebranntes mit auf den Teller kommt, ist es auch egal.«
»Wo steckt ihr zwei eigentlich die ganze Zeit?« Savinia klang säuerlich. »Soll ich jetzt vielleicht auch noch servieren?«
Milla nahm den Teller und brachte ihn Marco.
»Riecht gut«, sagte er und verzog dabei genießerisch das Gesicht. »Wenn es auch so schmeckt, bin ich zufrieden. Wo bleibt mein Wein?«
»Sonst noch etwas?«
»Gestern warst du freundlicher, Milla, und das hat dir besser gestanden. Ein Lächeln! Wäre das zu viel verlangt?«
Seine hellen Augen waren wie Hände, die ihren Körper berührten. Hitze breitete sich in Milla aus – jetzt floh sie geradezu in die Küche.
»Ich spüle heute freiwillig«, sagte sie zu Ysa. »Kannst du dafür draußen den Rest erledigen?«
Später, als der Ansturm vorüber war und ihre Finger fast so aufgeweicht waren wie nach einem langen Waschtag, ging Milla nach nebenan. Alle Bänke waren geräumt, die Tische blitzsauber und leer.
Bis auf eine Ausnahme.
Auf dem letzten Tisch, der, an dem Marco seine Suppe gegessen hatte, lag eine leuchtend gelbe Anemone.
Was bildete er sich ein?
Im ersten Moment wollte Milla sie zertreten, doch dann musste sie lächeln, weil Marco trotz allem etwas an sich hatte, das ihr gefiel. Rasch steckte sie sich die Blume hinters Ohr und ging hinaus.
Die hungrigen Katzen an der Hintertür hatten sich heute mit ein paar Gräten zufriedengeben müssen und waren daher schneller als sonst verschwunden. Der Kater mit der ungewöhnlichen Zeichnung war nicht darunter gewesen – leider, fand Milla.
Ob er schon auf neuen, anderen Pfaden wandelte?
Eine weiche Berührung belehrte Milla eines Besseren. Schnurrend strich er ihr um die Beine, und sie spürte, wie ein geradezu unvernünftiges Glücksgefühl in ihr aufstieg. Sie bückte sich, um ihn zu streicheln. Sein Fell war seidig und warm, als hätte er gerade noch in der Sonne gedöst.
»Puntino«, murmelte sie. »Du verrückter kleiner Kerl! Hast du deine Freunde etwa auch mitgebracht?«
Er gab ein Gurren von sich, dann lief er los. Milla konnte gar nicht anders, als ihm zu folgen. Der Kater stolzierte die schmale Gasse entlang, bis ganz nach vorn, wo sie das Wasser des Canal Grande glitzern sah. Zahlreiche Gondeln waren unterwegs, rote, grüne, silberne, schwarze – aber nur eine einzige in diesem unverwechselbaren Lichtblau.
Sie lag am Anlegeplatz und trug heute eine felze , eine hölzerne Kabine, die Passagiere nicht nur gegen Sonne oder Wind schützte, sondern auch neugierigen Blicken entzog. Mit einem geschmeidigen Satz sprang Puntino hinein und nahm seine gewohnte Position am Bug ein, während der
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