Feuer und Glas - Der Pakt
Werft?« Der Silberhaarige führte sie in den ersten Schuppen.
Sie schüttelte den Kopf.
Salvatore hatte zwar damit geprahlt, sie jederzeit ins Arsenal einschleusen zu können, wo Kriegsschiffe und große Handelsgaleeren gebaut wurden, aber jedes Kind in Venedig wusste, dass kein Unbefugter das riesige Gelände betreten durfte.
Durch die halb offene Wand konnte Milla weitere Holzgebäude sehen. Überall Gondeln in verschiedensten Stadien, halb fertige, im Rohbau, und einige, von denen es erst ein paar frisch bearbeitete Bretter gab. Männer, die sägten, bohrten, hämmerten. Es duftete nach frischem Holz und stank nach Leim, ein scharfes Aroma, das unangenehm in die Nase stieg.
»Das alles hier gehört Euch, Messèr …«
»Donato. Marin Donato. Ich bin Lucas Großonkel.« Sein Arm beschrieb einen weiten Halbkreis. »Unsere Familie hat schon immer Gondeln gebaut. Auch in jenen frühen Zeiten, als auf den Inseln der Lagune vor allem Flüchtlinge lebten.«
»Flüchtlinge?«, wiederholte sie, während sie aus den Augenwinkeln beobachtete, wie Luca den Arm um Alisars Schulter legte und sie ihn neckend wegstieß.
Gehörten die beiden zusammen? Ein schönes Paar wären sie ohne Zweifel!
Es ärgerte Milla, wie sehr dieser Gedanke an ihr nagte.
»Ja, so hat alles begonnen, vor vielen Jahrhunderten.« Marin Donato klang ernst. »Als Venedig aus dem Wasser geboren wurde, denn die Lagune bot Menschen in Not Schutz und eine neue Heimat – wenngleich es viele Venezianer heute vorziehen, sich nicht mehr daran zu erinnern. Lieber brüsten sie sich mit der Stärke der Serenissima, mit dem Gold, das unsere Handelsflotten einbringen, und fremden Territorien, die wir mit Waffengewalt erobert haben. Doch die Lagune sollte immer eine Zuflucht für Menschen in Bedrängnis sein, dafür müssen wir sorgen.« Es klang wie eine Beschwörung.
»Das hat mein Vater auch gesagt«, sagte Milla. »Dass das Meer unsere Mutter ist. Unser aller Mutter.«
»Dann ist dein Vater ein kluger Mann, auf den du stolz sein kannst.« Jetzt begann Marin zu lächeln. »Also, was möchtest du sehen?«
»Am liebsten alles«, rief sie, und die anderen lachten. »Aber ich muss bald wieder zurück an die Arbeit.«
»Wenn das so ist«, sagte Marin, »sollten wir uns beeilen!«
Anfangs hatte es tiefen Eindruck auf Marco gemacht, wie selbstverständlich der Admiral Menschen abkanzeln konnte, ohne sich darum zu scheren, wer vor ihm stand. Mittlerweile jedoch bereitete es ihm immer öfter Unbehagen. Dass Baumeister Fioretto nun schon zum fünften Mal mit neuen Plänen einbestellt worden war, empfand er als unnötige Schikane.
Der untersetzte Mann in noblem braunen Tuch schwitzte vor Aufregung, obwohl er zu den Großen seiner Zunft zählte. Dennoch strebte auch er verzweifelt an, was so viele begehrten: einen Auftrag für das Arsenal, das heimliche Zentrum der Macht.
Die Änderungen, die der Alte ihm abverlangt hatte, hatten Marco zunächst nicht sonderlich eingeleuchtet. Das Aufstocken der Höhe erschien ihm noch einigermaßen sinnvoll. Doch welche Vorteile würde eine Verbreiterung der Halle bringen?
Als könnte der Admiral ungehindert in Marcos Gedanken spazieren gehen, schlug er plötzlich mit der flachen Hand auf den Tisch.
»Du hältst das hier für ein Kinderspiel?«, rief er und zog weitere Skizzen unter dem Stapel hervor, während Fioretto aufgeregt die Hände knetete. »Dann will ich dir jetzt einmal beibringen, wie man richtig sieht! Die neue Höhe garantiert eine bessere Luftzirkulation, das heißt, die Arbeiter werden nicht so schnell müde und können mehr leisten. Und was die Verbreiterung anbelangt …«
»… so kann die Halle geteilt und so je zwei Schichten gleichzeitig besetzt werden«, rief der Baumeister eifrig. »Was die Nutzbarkeit enorm erhöht!«
»Und weshalb muss ich Euch dann geschlagene fünf Mal antanzen lassen, bis die Pläne endlich stimmen?«, fauchte der Admiral. »Wenn Ihr nicht besser spurt, war das Euer erster und letzter Auftrag für das Arsenal!«
Fioretto verneigte sich.
»Ganz zu Euren Diensten, Admiral«, sagte er. »Ihr werdet mit meiner Arbeit mehr als zufrieden sein. Von der Warenhalle bis zur Kapelle habe ich schon alles gebaut. Mein jüngstes und bislang gelungenstes Werk aber ist der Palazzo Bernardone, stolz und stark wie eine Festung.« Selbstbewusstsein schwang in seiner Stimme mit. »Jahrhundertelang wird seine Fassade den Canal Grande zieren, auch dann noch, wenn wir alle längst vergessen sind –
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