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Feuer und Glas - Der Pakt

Feuer und Glas - Der Pakt

Titel: Feuer und Glas - Der Pakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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allerdings fast zu diesem Besuch zwingen. Dabei war das hier doch früher ihr zweites Zuhause.«
    Domenico wirkte so bedrückt, dass seine fülligen Wangen nach unten sanken.
    »Wer weiß, wie lange wir überhaupt noch arbeiten können! Seitdem sich Deutsche und Spanier gegen Venedig verbündet haben, wurden die meisten Bestellungen widerrufen. Wenn es so weitergeht, werde ich Leute entlassen müssen. Nicht einmal der alte Doge und sein Großer Rat scheinen gegen diese Flaute etwas ausrichten zu können.« Er seufzte. »Wenn die Macht des Löwen schwindet, wird die ganze Lagune mit ihm untergehen!«
    Milla konnte plötzlich kaum noch atmen, und das lag weder an der brüllenden Hitze noch am Lärm, der jeden zum Schreien zwang, wenn er sich verständigen wollte. Die Sehnsucht, die in ihr aufstieg, war zu übermächtig, um sie zu ignorieren. Sie trat auf den nächstbesten Gesellen zu, der mit seiner langen Glaspfeife gerade einen Tropfen flüssiges Glas aus dem Ofen geholt hatte.
    »Darf ich?«, fragte sie zaghaft.
    Er schaute zu Domenico, der zustimmend nickte, und reichte seine Glaspfeife an sie weiter.
    Das längliche Mundstück lag vertraut zwischen Millas Lippen, wenngleich sie vor Aufregung gar nicht mehr genau wusste, was sie als Erstes tun sollte. Dann jedoch fiel ihr alles wieder ein. Ihre Hände umfassten den hölzernen Holm, der die Haut vor Hitze schützen sollte, und sie begann zu blasen. Zaghaft zunächst ließ sie ihren Atem in das Rohr strömen, bald jedoch so gleichmäßig und kraftvoll, wie der Vater es ihr beigebracht hatte. Auch die Finger wussten genau, was sie zu tun hatten. Unter Millas geschicktem Drehen dehnte sich der Tropfen am Nabel der Pfeife, wie man das Ende nannte, nach und nach zur Kugel.
    »Sie kann es noch immer«, rief Domenico. »Schade nur, dass sie kein Junge ist!«
    Vor Freude wurde Milla für einen Augenblick unaufmerksam – das Letzte, was einem Glasbläser passieren durfte! Prompt bekam die Kugel eine Beule und nahm schließlich die Form jener Insel an, die sie gestern auf der Karte entdeckt hatte.
    Milla wollte ihren Fehler sofort wiedergutmachen, doch bevor es dazu kommen konnte, erhielt sie von hinten einen Stoß. Sie hatte die Grundregel aller Glasarbeiter verletzt: niemals zum Ofen hin blasen! Sie ließ die Pfeife fallen, ruderte wie wild mit den Armen, und dennoch schien der hungrige rotgoldene Schlund, in dem die Hitze brüllte, immer schneller auf sie zuzurasen, als wollte er sie mit einem Satz verschlingen.
    Im letzten Moment erhielt sie von Ysa einen Rempler, glitt zur Seite, rutschte dabei aus und fiel auf den harten Boden. Als sie wieder nach oben kam, zitterten Millas Beine, doch bis auf ein paar Hautabschürfungen an Knie und Ellbogen war sie unversehrt geblieben.
    »Könnt ihr nicht aufpassen!«, brüllte Domenico. »Wer von euch ist so fahrlässig, Leandros Tochter um ein Haar zu verbrennen?«
    Keiner antwortete.
    Ysa war kalkweiß geworden. »Raus mit dir«, befahl sie. »Schnell!«
    Milla gehorchte und lief auf zitternden Beinen hinaus. Ysa folgte ihr auf dem Fuß. Erst als sie beide draußen vor der Glashütte die frische Seeluft einatmeten, kam sie langsam wieder zur Ruhe.
    »Ich war selbst wie gelähmt«, rief Ysa. »Zum Glück habe ich mich gerade noch rechtzeitig davon lösen können. Wenn dir etwas zugestoßen wäre – das hätte ich mir niemals verziehen!«
    »Mir fehlt nichts«, versicherte Milla. »Es war sicher nur ein Versehen. Und den gröbsten Fehler hab ich ja selbst begangen. Aber hast du gesehen, was aus meiner Glaspfeife kam?«
    »Dieses seltsame Etwas?«, fragte Ysa. »Abfall, oder nicht?«
    »Ganz und gar nicht! Die Umrisse einer Insel«, sagte Milla. »Eine Insel, die zwischen Murano und Burano liegt.« Sie ließ Ysa nicht aus den Augen.
    Die schien plötzlich nach Luft zu schnappen.
    »Da ist keine Insel. Als Tochter der Lagune solltest du das eigentlich wissen.«
    »Und wenn doch? Sonst wäre sie ja kaum auf einer besonderen Karte verzeichnet!«
    Ysa gab einen seltsamen Ton von sich, dann zog sie Milla hinter die Glashütte, neben den bunten Scherbenhaufen, der immer höher wuchs, bis er eingeschmolzen wurde, bevor die lange Arbeitspause begann. Dort schaute sie sich nach allen Seiten um, bevor sie zu reden begann.
    »Welche Karte? Und wo willst du so etwas gesehen haben?«, fragte sie.
    »In einer Gondelwerft. Eigentlich war es purer Zufall. Eine Katze ist auf den Tisch gesprungen, da fielen übereinanderliegende Pergamente herunter,

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