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Feuer und Glas - Der Pakt

Feuer und Glas - Der Pakt

Titel: Feuer und Glas - Der Pakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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– wenn sie nicht zuvor aus Müdigkeit längst eingeschlafen war. Zögerlich setzte sie sich auf das Bett, das er eigenhändig für sie gebaut hatte, schließlich streckte sie sich darauf aus und schloss die Augen. Ihr Atem ging ruhiger, während sie die harte Unterlage spürte; die Hände aber blieben in Bewegung und fuhren schließlich nach unten, wo sie eine vertraute Ritze ertasteten.
    Milla sprang auf und kauerte sich davor.
    Die beiden Ziegel ließen sich ebenso leicht herausnehmen wie früher. Milla griff in das Loch und zog etwas heraus – ihr Schatzkästchen, staubig und sehr viel kleiner als in ihrer Erinnerung. Alles, was ihr in Kindertagen besonders lieb gewesen war, lag darin verwahrt. Doch seit ihr Vater verschwunden war, hatte sie es nicht mehr angerührt.
    Es zu öffnen, kostete sie entsetzliche Überwindung.
    Das silbrige Haarnetz, ein Geschenk zum elften Geburtstag, bestickt mit winzigen Millefiori-Perlen. Ihr gläsernes Seepferdchen, von dem ein Stück abgebrochen war. Eine winzige Entenfamilie, geformt aus grünem Glas. Rosenquarz, Amethyst, Obsidian, Topas-Halbedelsteinbrocken, wie man sie zum Färben in der Glashütte verwendete. Ein paar Federn, die sie einem frechen Jungen abgeluchst hatte. Unzählige bunte Scherben, wahllos zusammengetragen. Getrocknete Rosenblätter, die zerfielen, als sie sie berührte …
    Hinter ihren Schläfen begann es heftig zu pochen.
    »Milla?«, rief Ysa. »Bist du da oben?«
    »Ja. Komm rauf und schau dir an, was ich gefunden habe!«
    Die Tante kam ins Zimmer und kniete sich neben sie.
    »Damals erschien mir das alles unendlich kostbar«, sagte Milla. »Dabei ist es nur Kinderkram!«
    »Fehlt da nicht etwas?«, fragte Ysa. »Etwas, das Leandro dir geschenkt hat? Denk nach!«
    »Möglich«, sagte Milla. »Aber mein Kopf ist auf einmal ganz leer.«
    Ysa streckte ihre Hand in das Loch.
    »Da ist wirklich nichts.« Wie enttäuscht sie klang! »Hast du noch andere Verstecke im Haus gehabt?«
    Milla schüttelte verneinend den Kopf und sagte dann leise:
    »Ich möchte weg. Alles hier macht mich so traurig.«
    »Dann lass uns gehen«, sagte Ysa. »Vielleicht fällt dir ja später noch etwas ein.«
    Milla zögerte kurz, dann streckte sie das Kästchen kurz entschlossen der kleinen Cecilia entgegen, die neben ihrer Mutter an der Tür stand und sie nicht aus den Augen ließ.
    »Für dich«, sagte sie, als die Kleine unsicher zu ihr lugte, als könnte sie ihr Glück kaum fassen. »Dafür bin ich inzwischen zu alt.«
    Kaum hatten sie das Haus verlassen, konnte es Ysa auf einmal nicht schnell genug gehen. Jetzt zerrte sie Milla förmlich hinter sich her, die sich empört losriss.
    »Was ist denn auf einmal in dich gefahren?«, rief sie.
    Wenige Schritte später wusste Milla die Antwort.
    »Nein«, protestierte sie, als Ysa die Glashütte ansteuerte, die einst Leandro geleitet hatte. »Nicht da, wo er …«
    Doch Ysa ließ sich nicht umstimmen.
    »Komm!«, verlangte sie. »Es ist wichtig, sonst würde ich es nicht von dir verlangen.«
    Als sie hineingingen, wurde es dunkel und zunehmend heißer – der Weg in die Unterwelt, wie Leandro es im Spaß stets genannt hatte. Der lange, schmale Korridor umschloss sie noch immer schützend wie eine zweite Haut, so hatte Milla es als Kind stets empfunden. Doch heute mischten sich Aufregung und eine Spur Fremdheit in dieses vertraute Gefühl.
    Drinnen wuselten die Handwerker ebenso emsig umher, wie es schon gewesen war, als die kleine Milla Tag für Tag in die Glashütte gelaufen war. Eine Schar von Lehrlingen war mit Aufräumen, Fegen und Hin- und Herspringen zwischen Ofen und Kühlraum beschäftigt. Dazwischen die Gesellen, die eigenständig Gläser, Karaffen und Schüsseln anfertigen durften. Und schließlich der maestro , dem die kniffligsten Arbeiten vorbehalten blieben – mit dem Unterschied allerdings, dass jetzt nicht wie früher Leandro auf dem abgewetzten Glasmacherstuhl hockte, sondern Domenico.
    Neben ihm auf dem breiten Tisch standen zwei Dutzend schlanker, durchsichtiger Stangengläser, verziert mit glänzenden Nuppen, die wie pures Gold glänzten.
    »Unsere jüngste Lieferung für das Arsenal«, rief er. »Die Leandro gewiss noch um einiges kunstfertiger hätte herstellen können. Doch wie die Dinge nun einmal liegen, kann ich leider nicht …«
    »Lass es gut sein«, sagte Ysa. »Die Glashütte meines Bruders ist bei dir in allerbesten Händen, das weiß ich, und das sieht auch seine Tochter nicht anders. Ich musste Milla

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