Feuer und Glas - Der Pakt
sie.
Ysa blieb stumm, während Savinia auf die Knie sank und die Scherben ihrer Lieblingsschüssel zusammenklaubte. Beide Frauen hatten rote Gesichter und wirkten aufgelöst.
Milla schaute von einer zur anderen.
»Das sind Dinge, von denen du noch nichts verstehst.« Savinia hatte sich erhoben. Blut tropfte von ihrer linken Hand auf den Boden. »Bring mir lieber ein sauberes Tuch zum Verbinden. Oder sollen die Leute heute Abend Blut im Essen haben?«
»Hört endlich auf, mich wie ein Kind zu behandeln«, rief Milla, tat aber, was ihre Mutter verlangt hatte. »Ich bin ebenso erwachsen wie ihr.«
»Lass es gut sein, Milla«, sagte Ysa. »Deine Mutter ist zurzeit besonders dünnhäutig, daran hätte ich denken sollen. Aber sie hat mich gereizt. Und wir Feuerleute sind unberechenbar, wenn man den Bogen überspannt, wie du weißt. Dann bricht ein Brand aus, der alles verzehrt.«
Savinia gab einen undefinierbaren Ton von sich, während Ysas Gesicht nach wie vor angespannt wirkte.
Kein Frieden war zwischen den beiden geschlossen worden, begriff Milla – bestenfalls eine Art vorläufiger Waffenstillstand.
»Wollen wir nicht lieber an die Arbeit gehen?«, schlug sie vor, um die Stimmung ein wenig aufzulockern. »Die Gäste werden bald da sein.«
»Ja, das sollten wir«, bekräftigte Ysa, während Savinia schnaufend an den Herd zurückkehrte.
Mechanisch begann Milla, Teller zu stapeln.
Wie gern hätte sie jetzt von ihren verwirrenden Erlebnissen, ihren Gedanken und Gefühlen erzählt, aber ihr Mund blieb verschlossen.
Ein neu erbauter Palazzo, der von Rissen durchzogen war, als habe ihn ein riesiges Spinnennetz zersetzt.
Eine geheimnisvolle Insel in der Lagune, von der sie noch nie zuvor etwas gehört hatte.
Vor allem aber Luca, der ihr erst geschmeichelt hatte, sie sei etwas Besonderes, und sie dann abfertigte, als habe sie etwas verbrochen. Wenn jemand das Recht hatte, enttäuscht und wütend zu sein, dann doch wohl sie!
Plötzlich kamen ihr Marco und seine seltsame Warnungen wieder in den Sinn. Wusste er womöglich ebenfalls Bescheid?
Kannte er jene geheimnisvolle Insel?
Die Verblüffung über diesen Gedanken musste Milla anzusehen gewesen sein, denn plötzlich hielt Ysa im Vorbeigehen inne.
»Ich pflege übrigens meine Versprechen zu halten«, flüsterte sie. »Nur, damit du Bescheid weißt!«
»Was meinst du damit?«, fragte Milla ebenso leise zurück und schaute zum Herd. Es drohte keine Gefahr, denn Savinia war ganz in ihr Rühren vertieft.
»Unser Ausflug nach Murano. Ich habe ein Boot besorgt. Morgen Nachmittag geht es los.«
Vor Freude ergriff Milla ihre Hand, doch Ysa entzog sie ihr und legte verschwörerisch den Finger auf die Lippen.
»Aber nicht ein Wort darüber zu deiner Mutter!«
Drittes Kapitel
Ysa leitete den Ruderer des sandolo zu einer verschwiegenen Anlegestelle, die sie noch von früher kannte. Millas Haut begann zu prickeln, kaum dass sie das kleine Boot verlassen hatten. Sofort war er wieder in ihrer Nase, jener zutiefst vertraute Geruch nach Holz, Quarzsand und Pottasche, den Materialien, die Glasbläser Tag für Tag in großen Mengen verbrauchten. Über allem jedoch schwebte der bittere Atem des Feuers, der so typisch für Murano war.
Sie blieb stehen, sog ihn tief ein. Mit jedem Atemzug schien ihr gewohntes Leben in Venedig mehr und mehr zu verblassen.
»Es ist, als sei man niemals fort gewesen.« Ysa klang nicht minder aufgeregt. »Mir geht es jedes Mal so, obwohl ich doch nun schon so lange nicht mehr hier lebe.«
»Wieso haben wir nicht im Hafen anlegt?«, sagte Milla, die sich diese Frage aufgehoben hatte, bis der Ruderer außer Sicht war. Er war die ganze Fahrt über stumm geblieben. Doch konnte man wissen, was seine Ohren aufschnappten?
»Um erst einmal ungestört zu sein. Früher oder später werden wir sie ohnehin auf den Fersen haben.«
»Redest du von den drei Männern, die dich mehrmals bedrängt haben? Was wollten sie von dir?«
Ysas Pupillen verengten sich. Offensichtlich gefiel ihr die Frage ganz und gar nicht.
»Etwas, das nicht in meinem Besitz ist«, erwiderte sie nach einer Weile. »Doch das wollen sie mir einfach nicht glauben!«
»Etwas Wertvolles?«
Ysa zögerte erneut.
»Ich glaube, sie würden vor nichts zurückschrecken, um es in die Hände zu bekommen.«
»Was ist es?«, drängte Milla. »Sag es mir!«
»Nein, ich darf dich nicht unnötig in Gefahr bringen«, sagte Ysa. »Das bin ich meinem Bruder schuldig. Komm, lass uns keine Zeit
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