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Feuer und Glas - Der Pakt

Feuer und Glas - Der Pakt

Titel: Feuer und Glas - Der Pakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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unverschämten Mietforderung ließ Cassiano alles hemmungslos verrotten!
    Sie legte den Schlüssel zurück ins Versteck und machte sich auf den Weg.
    Sie wollte nach Dorsoduro, wo Marins Werft lag. Doch dazu musste sie irgendwie auf die andere Seite des Canal Grande gelangen. Wenigstens wusste sie einigermaßen, wo sie sich befand. War sie nicht erst neulich hier gewesen? Der prächtige gelbe Palazzo – heute stand er strahlend und hell vor ihr im Vormittagslicht.
    Ob die Frau und der Mann, die ihn bewohnten, ihren Zwist inzwischen beigelegt hatten?
    Die Fenster waren geschlossen, und auch auf dem Balkon zeigte sich niemand. Stattdessen erschien Milla der Canal Grande ungewohnt bewegt. Überall hielt sie nach einem Ruderer Ausschau, der sie ans andere Ufer bringen sollte. Das Wasser wellte sich, wie von dunklen Strömungen durchzogen. Ja, es musste die Stunde der Flut sein – aber war sie je zuvor so stürmisch und hoch gewesen?
    Plötzlich glaubte Milla, ein unterirdisches Dröhnen und Grollen zu vernehmen.
    Was konnte das sein?
    Unter dem steinernen Grund waren doch nur die unzähligen Holzpfähle in den schlammigen Boden gerammt, auf denen Venedig errichtet war! Dann folgte ein seltsamer Ton, klagend und wie eingerostet, der sich immer höher schraubte und ihr durch und durch ging.
    Ihr war, als habe sie einen vertrauten grauen Schatten an der Wand gesehen.
    Aber war eine Katze in der Lage, derart zu schreien?
    Die Tür des Palasts öffnete sich, einige Männer und Frauen liefen hastig heraus, Dienerschaft, wie Milla anhand der einfachen Kleidung schloss.
    »Das Haus!«, schrie ein junges Mädchen, ungefähr im gleichen Alter wie Milla. »Das Haus wird gleich …«
    Ein Älterer packte ihren Arm und zog sie mit sich.
    Milla erschrak, als sie Puntino näher kommen sah.
    Sein Fell war gesträubt, die Ohren hatte er eng an den Kopf angelegt. Wie ein Raubtier erschien er ihr. Ihre Hand, schon zum Streicheln bereit, zuckte zurück.
    Für nichts in der Welt hätte sie ihn jetzt berührt!
    »Warst du das gerade eben?«, fragte sie. »Aber dann muss Luca sicherlich …«
    Als sie wieder aufsah, stockte ihr der Atem.
    Luca stand neben dem Palast, als sei er gerade erst aus den Fluten aufgetaucht, kerzengerade wie eine Säule. Das Spiel des Wassers schien seltsame Schatten auf sein Wams und seine Hose zu werfen, und fast war es, als habe er keine festen Konturen mehr, als bestünde er ganz und gar aus dem flüssigen Element. Wind frischte auf, kühl und salzig, und die Luft war mit einem Mal von einem matten Grau. Das Wasser des Canal Grande kräuselte sich noch unruhiger und war so zornig grün, wie Milla es noch nie zuvor gesehen hatte.
    Luca hatte die Fäuste geballt und starrte zum Palast. Die restliche Welt schien er vergessen zu haben – nicht einmal Milla beachtete er. Um ihn herum wurde es stählern blau, eisig, als sei er zum Äußersten entschlossen.
    Als Risse die Außenwand des Palasts aufbrechen ließen wie eine Eierschale, wusste sie, dass sie sich nicht getäuscht hatte.
    Was immer Luca hier tat – es war ein Akt geballten Willens!
    Unfähig, sich von der Stelle zu rühren, sah Milla, wie das Fundament des Gebäudes in sich zusammenfiel und ins Wasser glitt, einem Sandhaufen gleich, den ein spielendes Kind mühelos zum Einsturz gebracht hatte. Die Wände darüber brachen auf, Steine hagelten herunter. Es krachte und dröhnte, es gurgelte und zischte, ein archaisches Orchester der Zerstörung, das seinen eigenen Rhythmus gefunden hatte.
    Der Kater umkreiste sie in höchster Aufregung. Schließlich biss er sie in die Ferse, als wollte er sie damit zur Besinnung bringen.
    Milla schrie auf. Puntino schoss davon wie ein Blitz.
    Gerade noch rechtzeitig, denn der nächste Ziegelstein traf sie an der Schläfe.
    Milla stieß einen weiteren Schrei aus.
    Luca schien plötzlich wie aus tiefer Trance zu erwachen.
    »Milla – nein!«, rief er und rannte auf sie zu. »Nicht du!«
    Er riss sie zur Seite. Sie stolperte, fiel über ihren Rock, der knirschend zerriss, und landete direkt in seinen Armen.
    Sein Herz schlug so laut, dass es in Millas Körper einem Echo gleich widerhallte. Sie roch seine Angst, seine Aufregung – seinen Zorn.
    Dann berührten seine Lippen ihren Mund.
    Er schmeckte nach Meer, nach Wind, nach Tang. Gefühle durchfluteten sie, so bitter und süß zugleich, dass Milla es kaum ertragen konnte.
    Es sollte gefälligst sofort aufhören.
    Und für immer dauern!
    Sie wollte ihn wegschieben, doch ihre

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