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Feuer und Glas - Der Pakt

Feuer und Glas - Der Pakt

Titel: Feuer und Glas - Der Pakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Arme gehorchten ihr nicht mehr, hielten Luca stattdessen umklammert.
    Es gab nur noch sie beide – keine Zeit mehr. Nur Ewigkeit.
    Dann war es auf einmal, als zerbreche die Welt in Stücke. Da waren Steine, Staub, wirbelndes Wasser.
    Fast ungläubig fasste sich Milla an den Hinterkopf.
    Dann sank sie bewusstlos zu Boden.
    Die Seilerei war länger als die Piazza und erinnerte mit den länglichen Seitenschiffen an eine Kathedrale. Obwohl Marco es sich niemals anmerken lassen würde, beeindruckten ihn ihre gewaltigen Dimensionen wie am ersten Tag. Die oberste Fensterreihe war geschlossen bis auf einen schmalen Spalt; unzählige gelbliche Hanffasern tanzten in der Luft. Der Geruch freilich ließ zu wünschen übrig: Es stank nach Teer, mit dem die fertigen Seile gegen Fäulnis geschützt werden sollten, und dem Schweiß der Arbeiter, der hier Tag für Tag in Strömen floss. In der Hierarchie des Arsenals standen die Reeper an unterster Stelle, wurden schlechter bezahlt als die Zimmermänner und waren sogar von der Mannschaft ausgeschlossen, die alljährlich zu Himmelfahrt das Prunkboot des Dogen rudern durfte.
    All das lieferte Zündstoff, wie Marco wusste, zumal heute, wo er mit seinen Untersuchungen vorankommen musste. Der Admiral hatte keinerlei Zweifel daran gelassen.
    »Wir sind im Krieg. Da gelten andere Gesetze.« Nie zuvor hatte er den Alten verdrossener erlebt. »Ich will Ergebnisse, bevor wir mitten in den Umbauarbeiten stecken. Sonst verlangsamt sich die Produktion, und wir können unsere Quoten nicht erfüllen.«
    »Ich gebe mir alle Mühe, Exzellenz …«
    »Genug damit! Inzwischen fordert schon der Rat der Zehn Rechenschaft von mir. Und nichts ist mir mehr zuwider als solcherlei Einmischungen aus dem Dogenpalast. Jetzt hör mir einmal ganz genau zu, Bellino …«
    Bei jedem Schritt durch die riesige Halle hielt sich Marco diese Worte vor. Er musste die Männer zum Reden bringen!
    Würde es ihm gelingen, ihre geschlossene Front zu sprengen?
    Die schadhaften Seile waren innerhalb einer gewissen Schicht entstanden. Salvatore Querini gehörte dazu, den er gestern im ippocampo erfolgreich in die Schranken verwiesen hatte. Der Glatzkopf war nicht auf Milla aus, was ihn seltsamerweise beruhigt hatte, obwohl sein Interesse an dem Mädchen rein dienstlicher Natur sein sollte. Und dennoch löste sein Anblick etwas in Marco aus, das er nicht genau beschreiben konnte. Querini galt als geschickter Reeper, doch er war ihm von Anfang an zuwider gewesen.
    Marco zwang sich, diese Gefühle zu unterdrücken.
    Er durfte sich nicht von persönlichen Abneigungen leiten lassen. Der Alte würde ihm auf der Stelle den Kopf abreißen, sollte er dahinterkommen.
    Auf sein Handzeichen hin ruhten die Warbeln, wie die drehbaren Haken hießen, die den länglichen Schlitten in Bewegung hielten, auf dem Hanf zu schiffstauglichem Seil gesponnen wurde. Mit einem Mal war es totenstill. Nur das aufgeregte Flügelschlagen einer Lerche hoch über ihren Köpfen war noch zu hören, die sich hierher verirrt hatte und nun offenbar nicht mehr hinausfand.
    »Ich höre«, begann Marco. »Was habt ihr mir zu sagen?«
    »Nicht mehr als Ihr bereits wisst.« Aldo Centani ergriff das Wort, einer der Vorarbeiter, dessen Vater und Großvater bereits in der Seilerei gearbeitet hatten. »Ein beklagenswerter Unfall, den wir alle aus tiefstem Herzen bedauern.«
    »Wir haben zwei Tote zu beklagen. Das sind zwei Todesfälle zu viel, die noch immer nach Aufklärung schreien.«
    »Unsere Herzen könnten vor Kummer nicht schwerer sein. Wir alle sind Arsenalotti – und damit Brüder. So war es seit je.«
    Wollte er ihm damit zu verstehen geben, dass er ein Neuling war, der von nichts Ahnung hatte, während sie schon seit Generationen dazugehörten?
    Marco spürte, wie Zorn in ihm aufstieg.
    »Brüder achten aufeinander«, sagte er und war erleichtert, dass seine Stimme noch immer verhältnismäßig ruhig war. »Brüder schauen voraus. Kein Bruder würde zulassen, dass seine nachlässige Arbeit dem anderen Schaden zufügt.«
    Salvatore Querini räusperte sich.
    »Es muss am Material liegen«, sagte er und klang schon wieder aufsässig. »Der Hanf könnte feucht geworden sein. Oder aus einer minderwertigen Lieferung stammen. Wir haben gearbeitet wie immer. Wir verstehen unser Handwerk. Hier stehen wir vor Euch – wie ein einziger Mann!«
    Schlossen sich die Reeper nicht eine Spur enger zusammen?
    Unwillkürlich lugte Marco hinauf zu dem kleinen bräunlichen Vogel, der

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