Feuer und Glas - Der Pakt
rief er. »Wie schön! Eigentlich wollte ich ja auch dabei sein, aber mein großer Freund meinte, dafür sei ich noch zu …« Ein strenger Seitenblick Lucas ließ ihn verstummen.
Als sie ins Haus traten, riss Milla die Augen auf.
Welch ein Unterschied zu der armseligen Wohnung, in der sie zu dritt auf engstem Raum hausten! Und nicht einmal das alte rote Haus auf Murano konnte hier mithalten. Drei Räume, die ineinander übergingen, groß und lichtdurchflutet; die Böden waren mit Stein belegt. Alle Möbel bestanden aus Materialien, deren Namen sie nicht einmal kannte, und an den Wänden hingen Ölbilder oder kostbare gewebte Teppiche.
»Ihr lebt ja in einem Palast«, stieß sie fassungslos hervor. »Nikos muss ein steinreicher Mann sein!«
»Dann solltest du erst einmal unser Haus in Konstantinopel sehen!«, rief Ganesh. »Das hat mindestens dreimal so viele Zimmer – und Bogenfenster hin zum Bosporus, die Wasserstraße, die zwei Kontinente verbindet.«
»Ausnahmsweise übertreibt er einmal nicht«, sagte Alisar, die soeben hereingekommen war und ein Tablett mit Bechern auf einem der kleinen Tische abstellte. »Ich vermisse unser Zuhause auch jeden Tag! Aber bald werden wir ja dorthin zurückkehren. Du hast sie mitgebracht?« Das galt Milla. »Wie mutig von dir!«
»Den Palast Bernardone gibt es nicht mehr.« Lucas Stimme klang beherrscht. »Milla war dort, als er einstürzte. Da habe ich mich ihrer angenommen.«
»Ein Held!« Alisars Spott war unüberhörbar. »Aber ich hätte auch nichts anderes von dir erwartet, Luca.«
»Ich mag es nicht, wenn du dich in meine Angelegenheiten einmischst«, erwiderte er scharf.
»Deine Angelegenheiten?«, fuhr sie auf. »Sind das nicht bald auch …«
»Hört sofort auf, euch zu bekriegen!«, rief Nikos, der als Letzter hereingekommen war. »Man könnte ja fast glauben, ihr wärt ungezogene Kinder und nicht zwei junge Menschen, die so viel verbindet!«
Dieser Satz fuhr Milla direkt in die Magengrube. Plötzlich war auch der Schwindel von vorhin wieder stärker.
»Es ist so hell hier«, sagte sie. »Gibt es keinen anderen Ort, wo wir reden könnten?«
»Den gibt es«, sagte Nikos. »Komm mit!«
Luca schloss sich an, aber als auch Alisar ihnen folgen wollte, schüttelte Milla entschieden den Kopf.
Nikos schien sofort zu verstehen.
»Du bleibst bei Ganesh, Alisar«, sagte er, ohne sich um die beleidigte Miene zu kümmern, die sie zur Schau trug. »Wir sind bald zurück.«
Das Bootshaus, in das er sie führte, war dämmrig und alt. Grünlicher Schlick hatte sich an den Pfosten abgesetzt, an denen zwei Gondeln vertäut lagen, die leise auf den Wellen schaukelten. Es roch nach Holz und Salz und feuchten Seilen. Alles Gerüche, die Milla von Murano her vertraut waren, in ihrem jetzigen Zustand aber schienen sie noch eine weitere Botschaft zu haben. Wasser kann sehr gefährlich sein, wenn man es missachtet – nichts anderes hatte sie soeben erlebt.
»Dann stell deine Fragen«, sagte Nikos schließlich, als sie nebeneinander auf einer kleinen Bank Platz genommen hatten. »Luca hat mir schon berichtet, dass dir vieles auf der Seele brennt.«
Milla machte einen tiefen Atemzug.
Natürlich wäre sie am liebsten mit dem Palast herausgeplatzt, den es nicht mehr gab. Oder dem blauen Licht, das so real erschien und schon im nächsten Augenblick wieder verschwunden sein konnte. Doch irgendetwas in seiner Miene hielt Milla davon ab. Hinter all seiner Freundlichkeit spürte sie jene Hartnäckigkeit und Stärke, die sie schon von Luca und Marin kannte.
Sie würde also mit der Karte anfangen und erst später darauf zu sprechen kommen.
»Es geht um jene Insel«, sagte sie. »Ich hab sie auf der Karte in Messèr Donatos Werft gesehen, und seither geht sie mir nicht mehr aus dem Kopf. Existiert sie tatsächlich? Kann ich sie bald einmal sehen?«
Nikos und Luca wechselten einen raschen Blick.
»Da beginnst du gleich mit dem Allerschwierigsten«, sagte Nikos schließlich. »Ja und nein – so lautet die Antwort.«
»Was soll das heißen?«, fragte Milla.
»Das, was ich gerade gesagt habe. Ja, es gibt diese Insel. Nein, du kannst sie nicht sehen, geschweige denn betreten.«
»Aber warum denn nicht?«, rief Milla. »Was ist falsch an mir?«
»Gar nichts. Dein Vater ist Leandro Cessi?«
»Ja. Viele nennen ihn auch ›Feuerkopf‹.«
Nikos lächelte. »Da hast du schon einen Teil der Antwort«, sagte er.
Stirnrunzelnd sah Milla ihn an. »Das hat Luca auch schon gesagt«,
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