Feuer und Glas - Der Pakt
wieder abzustoßen …
Am liebsten hätte sich Milla jetzt zu einem Knäuel zusammengerollt, wie sie es früher manchmal als Kind im heimatlichen Garten auf Murano getan hatte, den Körper fest gegen die warme Erde gepresst, im Ohr das Zirpen der Insekten, das Zwitschern der Vögel, das beruhigende Zischen der Glasöfen und ganz im Hintergrund das leise Rauschen des Meeres.
Verdammt noch einmal – Wasser und Feuer waren zwar Gegensätze, aber doch keine Feinde!
Was bildete sich Luca ein, sie so zu behandeln?
Endlich hatte Milla die schmale Gasse erreicht, die zum ippocampo führte, und plötzlich war Puntino verschwunden, als habe er sie nun weit genug geleitet. Obwohl es ihr vorkam, als sei sie von einer endlos langen Reise zurückgekehrt, war es erst Vormittag und die kleine Taverne noch gähnend leer.
Milla ließ sich auf einen Stuhl fallen, strich sich die Locken aus dem erhitzten Gesicht und wartete darauf, dass ihr Atem wieder ruhiger wurde.
Aus der Küche drangen laute Hackgeräusche – und die Männerstimme, die ihr am meisten zuwider war!
»Du arbeitest zu viel, meine Schöne«, hörte sie Salvatore säuseln. »Du machst dich noch ganz kaputt, aber das werde ich nicht zulassen!«
»Ach ja?« Savinia klang gereizt. »Und wie genau willst du das verhindern? Die Miete steigt. Wohnung und Taverne werden teurer. Wenn wir nicht bezahlen können, schmeißt Cassiano uns raus. Sollen wir auf der Straße schlafen? Dazu habe ich keine Lust!«
»Kommt mit mir nach Castello, Savinia, und dein Leben wird sich von Grund auf ändern. Keine Sorgen mehr …«
»Mein Leben ist genau hier!« Selten zuvor hatte Savinia so überzeugt geklungen. »Bei den Schweinsfüßen, die ich gerade mühsam zerkleinere, weil ich unseren Gästen ja irgendetwas auftischen muss. Tief verbunden mit meiner Schwägerin Ysa und meiner Tochter Milla. Oder würdest du die beiden auch bei dir aufnehmen wollen?«
Eine lange Pause.
Milla hielt sich ganz ruhig, um bloß nichts zu verpassen.
»Die Kleine, ja«, erwiderte er, aber Milla hörte den Widerwillen aus jedem seiner Worte. »Ein Kind gehört zu seiner Mutter. Allerdings müsste sie sich von Grund auf ändern. Ich mag es nicht, wenn sie so faul und aufsässig ist, nicht nur zu mir, sondern auch dir gegenüber. Deine Schwägerin allerdings …«
»Ysa ist für mich wie eine Schwester und Milla ein echtes Feuerkind«, sagte Savinia. »Meine Tochter ist übrigens alles andere als faul. Sie macht die Dinge nur manchmal auf ihre Weise. Außerdem bin ich nicht frei. Ich habe einen Mann. Auch das hast du von Anfang an gewusst.«
Ihr Hacken verstärkte sich. Stellte sie sich etwa vor, dass anstatt der Schweinsfüße jemand ganz anderer auf dem hölzernen Brett lag?
Unwillkürlich entspannten sich Millas Züge.
Plötzlich fühlte sie sich ihrer Mutter ganz nah. Sie kannte sie genau – auch wenn sie selbst nicht zu den Feuerleuten gehörte. Aber Savinia hatte Leandro Cessi geheiratet und ihm eine Tochter geboren, die unverkennbar sein feuriges Erbe in sich trug.
»Ich dachte, du wolltest ihn offiziell für tot erklären lassen.« Salvatore schien entschlossen, nicht aufzugeben. »Um endlich ein neues Leben zu beginnen. Du hast schon einmal ganz anders geklungen, Savinia!«
»Möglich. Was aber, wenn ich meine Meinung inzwischen geändert hätte?« Das Hackmesser schwieg plötzlich. »Was auch geschehen mag, Leandro wird in mir weiterleben – und wenn du mich von Kopf bis Fuß in raschelnde Seide hüllst, als sei ich die Königin von Saba!« Milla hörte, wie ihre Mutter einen tiefen Seufzer ausstieß. »Es wird nichts aus uns, Salvatore, das ist mir seit deinem noblen Geschenk klar geworden, und wenn du dich noch so sehr bemühst! Ich bin und bleibe die Frau des Feuerkopfs. Damit musst du dich leider abfinden.«
Er gab einen Laut von sich, den Milla nicht genau zu deuten wusste, aber in ihren Ohren klang er so bedrohlich, dass sie aufsprang und zur Küchentür lief.
»Bin wieder da!«, rief sie. »Entschuldigung, dass es so lange gedauert hat – aber ich brauchte dringend ein paar Stunden für mich allein!«
»So gut wie du möchte ich es auch einmal haben«, raunzte Savinia wie gewohnt zurück, ihre Mundwinkel aber, die vergnügt nach oben wiesen, sagten genau das Gegenteil.
»Wo ist Ysa?«, fragte Milla.
»Wo wohl? Auf dem Markt, um die Arbeit zu machen, die eigentlich du erledigen könntest! Nimm dir Brett und Messer und hilf mir wenigstens beim Zwiebelschneiden, damit die
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