Feuer und Glas - Der Pakt
wieder aufnahm, als könnte es ihm Halt geben.
Sie hatte ihn zutiefst verblüfft – das gefiel ihr.
»Von der ersten Begegnung an«, sagte Milla. »Zuerst dachte ich, ich hätte es mir nur eingebildet. Inzwischen aber weiß ich, dass das Blau manchmal da ist und dann wieder verschwindet. Verrätst du mir den Grund?«
Er begann leicht zu zittern – auch das registrierte sie.
War sie zu weit gegangen?
»Es hat mit meinen Gefühlen zu tun«, sagte Luca.
Die Anstrengung, ihre Hand nicht auszustrecken, um ihn zu berühren, war fast unerträglich.
»Wie meinst du das? Kannst du das erklären?«, fragte Milla leise.
»Ich will es versuchen.« Jetzt klang auch seine Stimme nicht mehr ganz sicher. »Wenn sie mich überwältigen, egal, ob bei Freude, Trauer oder Zorn, kann ich es nicht länger kontrollieren.« Es klang beinahe, als ob er sich deswegen schämte.
»Die anderen haben es auch«, sagte Milla. »Ganesh, Alisar und Nikos. Das ist mir aufgefallen, als sie angekommen sind. Und später wieder, im Haus am Rio Paradiso. Aber bei Marin scheint es anders zu sein.«
»Wir Wasserleute machen darum kein großes Aufhebens. Von euch Feuerleuten besitzt ohnehin kaum jemand die Fähigkeit, es zu sehen. Ich hätte niemals gedacht, dass du …«
Beinahe hätte sie laut aufgeschrien.
Während er sprach, hatte sich die Luft um ihn herum verändert, schien dunkler zu werden, bis sie ebenso leuchtend blau geworden war wie das Wasser der Lagune. Bei dieser Wandlung zuzusehen, war zutiefst berührend und unheimlich zugleich, etwas, das Milla kaum aushalten konnte und von dem sie sich gleichzeitig wünschte, es würde niemals wieder aufhören. Auf einmal erschien Luca ihr so fremd, dass sie ihn einfach berühren musste, weil sie befürchtete, ihn sonst für immer zu verlieren.
Doch kaum lag ihre Hand auf seinem Arm, hatte sie das Gefühl, eine riesige Welle rolle auf sie zu, die sie zu verschlingen drohte. Milla begann zu japsen, weil sie plötzlich kaum noch Luft bekam, als sei sie tatsächlich tief unter Wasser. Für ein paar Augenblicke war Milla unfähig, sich dagegen zu wehren, dann jedoch kam es ihr vor, als fließe in ihren Adern nicht länger Blut, sondern flüssiges Feuer. Sie bekam Angst, innerlich verglühen zu müssen, bis sie plötzlich eine unglaubliche Kraft durchströmte, sich die Hitze endlich über die Haut einen Weg nach außen bahnte – und zu einer lodernden Stichflamme wurde, die zwischen ihnen stand.
Luca zuckte zurück, als hätte er sich am ganzen Körper verbrannt. Sein fein geschnittenes Gesicht war auf einmal voller Schmerz.
»Du!«, rief er. »Ausgerechnet du bist es! Ich hätte niemals geglaubt …«
Er begann loszurudern, als sei ein ganzes Heer Dämonen hinter ihnen her. Das Ufer schoss auf sie zu, so schnell war das sandolo geworden. Luca machte sich nicht die Mühe, nach einem Pfosten zum Anlegen Ausschau zu halten.
»Raus mit dir!«, rief er. »Geh. Geh! Ich will dich nicht mehr sehen – nie wieder!«
Ihre Beine waren bleischwer, doch irgendwie schaffte es Milla trotzdem, an Land zu springen. Am Kai blieb sie wie angewurzelt stehen, während Luca in fliegender Hast das Boot wendete und davonruderte. Bald konnte sie nur noch seinem steifen Rücken nachstarren, der sich immer weiter von ihr entfernte.
Es kratzte so hässlich im Hals, dass sie meinte, daran ersticken zu müssen, aber Milla schluckte die aufsteigenden Tränen tapfer hinunter. Innerlich war sie wie wund, als hätten Lucas Worte sie verätzt.
Sie vermochte sich erst wieder zu bewegen, als ein leises Begrüßungsgurren ertönte und sie spürte, wie etwas Seidiges aufmunternd ihre Wade stupste.
Der Kater blieb den ganzen Nachhauseweg neben ihr, obwohl Milla so langsam ging wie eine uralte Frau.
Was war da vorhin geschehen?
Die Welle, das Feuer – auf einmal verstand sie die Welt nicht mehr!
Sie hatte Luca verloren, nur weil sie ihn gegen seinen Willen berührt hatte. Dabei hatte sie doch schon einmal seine Lippen auf ihrem Mund gespürt – aber das war, bevor er wusste, dass sie das blaue Licht sehen konnte.
Ausgerechnet du …
Sein Schrei war aus tiefster Seele gekommen. Und dann hatte er sie aus dem Boot geworfen.
Doch was war das für eine Kraft, die wie aus dem Nichts auf sie zugerollt war? Und was hatte ihre eigene Stärke zu bedeuten, die Milla noch nie zuvor in solch ungeheurer Intensität gespürt hatte?
Als hätten sich zwei Pole unwiderstehlich angezogen, um sich im nächsten Moment nicht minder heftig
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