Feuer Und Stein
nahm meine Rechte und steckte behutsam das letzte Ende des provisorischen Verbandes fest.
»Ich übersetze es dir:
Du bist Blut von meinem Blute und Fleisch von meinem Fleische.
Ich schenke dir meinen Leib, auf daß wir eins sein mögen.
Ich schenke dir meine Seele, bis wir unser Leben aushauchen.«
Jamie zuckte die Achseln. »Ungefähr dasselbe wie das kirchliche Versprechen, nur ein bißchen … äh, urtümlicher.«
Ich blickte auf mein verbundenes Handgelenk nieder. »Ja, so könnte man es nennen.«
Dann schaute ich in die Runde; wir waren allein unter einer Espe. Die Blätter auf dem Boden schimmerten in der Feuchtigkeit wie rostige Münzen. Es war sehr still bis auf das gelegentliche Platschen kleiner Wassertropfen, die von den Bäumen fielen.
»Wo sind die anderen? Sind sie zum Gasthof zurückgeritten?«
Jamie verzog das Gesicht. »Nein. Ich habe ihnen gesagt, sie sollten gehen, damit ich mich um dich kümmern kann, aber sie warten da hinten auf uns.« Er deutete mit dem Kopf. »Sie werden uns nicht vertrauen, ehe alles… äh, rechtens ist.«
»Ist es das nicht schon?« fragte ich verständnislos. »Wir sind doch verheiratet, oder?«
Jamie schien verlegen; er wandte sich ab und entfernte umständlich Blätter von seinem Kilt.
»Mmmpf. Aye, wir sind verheiratet. Aber es ist noch nicht bindend, solange die Ehe nicht auch vollzogen ist.« Eine tiefe Röte stieg von Jamies Spitzenjabot langsam aufwärts.
»Mmmpf«, sagte ich. »Dann laß uns gehen und etwas essen.«
15
Offenbarungen im Brautgemach
Im Gasthof erwartete uns ein bescheidenes Hochzeitsbankett mit Wein, frischem Brot und Rinderbraten.
Als ich zur Treppe lief, um mich vor dem Mahl frisch zu machen, faßte Dougal mich am Arm.
»Ich möchte, daß diese Ehe vollzogen wird«, befahl er mit fester Stimme. »Es darf keinen Zweifel daran geben, daß es eine gesetzliche Bindung ist; es darf nicht möglich sein, sie zu annullieren, sonst riskieren wir Kopf und Kragen.«
»Mir scheint, das tun wir bereits«, erwiderte ich verdrossen. »Ich allerdings sehr viel mehr als Sie.«
Dougal tätschelte mein Hinterteil. »Wir wollen jetzt alle du zueinander sagen«, meinte er. »Und ansonsten mach dir keine Gedanken; tu nur das, was ich dir aufgetragen habe.« Er musterte mich kritisch, als wollte er einschätzen, ob ich fähig sei, meine Rolle zu spielen.
»Ich habe Jamies Vater gekannt. Wenn der Junge nach ihm geraten ist, wirst du keinen Verdruß haben. Jamie!« Dougal eilte zu der Tür, durch die Jamie soeben getreten war, nachdem er die Pferde in den Stall gebracht hatte. Nach Jamies Gesichtsausdruck zu schließen, erhielt auch er Befehle.
Wie, in Gottes Namen, ist das passiert? fragte ich mich eine Weile später. Vor sechs Wochen hatte ich in aller Unschuld Wildblumen auf einem schottischen Berg gepflückt, um sie nach Hause zu meinem Mann zu bringen, und nun wartete ich in der Kammer eines ländlichen Gasthofs auf einen anderen Mann, den ich kaum kannte, und mußte, wenn ich mein Leben und meine Freiheit nicht aufs Spiel setzten wollte, eine Ehe vollziehen, die durch Zwang zustande gekommen war.
Steif und erschrocken saß ich in meinem geborgten Kleid auf
dem Bett. Es gab ein leises Geräusch; die schwere Tür öffnete und schloß sich.
Jamie lehnte sich dagegen und beobachtete mich. Die Verlegenheit zwischen uns nahm zu. Jamie brach schließlich das Schweigen.
»Du brauchst keine Angst vor mir zu haben«, sagte er sanft. »Ich werde dich schon nicht anspringen.«
Ich mußte lachen. »Das habe ich auch nicht geglaubt«, antwortete ich. Tatsächlich meinte ich, er werde mich nicht einmal berühren, es sei denn, ich forderte ihn auf; das Problem war nur, daß ich ihn möglichst bald zu erheblich mehr auffordern mußte.
Ich betrachtete Jamie. Es wäre wohl schwieriger gewesen, wenn ich ihn unattraktiv gefunden hätte; doch das Gegenteil war der Fall. Dennoch, seit mehr als acht Jahren hatte ich mit keinem anderen als Frank geschlafen. Nicht nur das. Jamie war nach eigener Aussage völlig unerfahren, und ich hatte noch nie eine männliche Jungfrau defloriert. Selbst wenn ich meine Bedenken gegen das ganze Arrangement in den Wind schlug und die Sache von einem rein praktischen Standpunkt aus betrachtete - wie, um alles in der Welt, sollten wir beginnen? Bei diesem Tempo würden wir noch in drei bis vier Tagen herumstehen und einander anstarren.
Ich räusperte mich und klopfte leicht auf das Bett.
»Äh - möchtest du dich
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