Feuer Und Stein
anmerken zu lassen.
»Und, möchtest du?« fragte ich.
»Wenn ich ehrlich bin - ja.« Die blauen Augen sahen mich über den Rand des Glases hinweg unverwandt an.
»Dafür hättest du mich nicht unbedingt heiraten müssen«, gab ich zu bedenken.
Jamie schien schockiert. »Du meinst doch wohl nicht, daß ich dich… nehmen würde, ohne dir die Ehe anzutragen?«
»Das würden viele Männer tun«, erwiderte ich, amüsiert über Jamies Unschuld.
Er war einen Moment um Worte verlegen. Dann sagte er würdevoll: »Vielleicht ist das anmaßend, aber ich denke doch, daß ich nicht ›viele Männer‹ bin und mich in meinem Betragen nicht nach dem Durchschnitt richte.«
Recht ergriffen von dieser kleinen Rede, versicherte ich Jamie, ich fände sein bisheriges Betragen sehr nobel, und entschuldigte mich für den Fall, daß es ihm so vorgekommen sei, als zweifelte ich an seinen Motiven.
Nach dieser diplomatischen Bemerkung legten wir eine Pause ein, und Jamie schenkte uns nach.
Eine Weile tranken wir schweigend, beide ein bißchen scheu nach diesen offenen Worten. Also gab es anscheinend wirklich etwas, was ich ihm bieten konnte. Ich wollte nicht behaupten, ich hätte nicht schon daran gedacht, bevor die absurde Situation eingetreten war, in der wir uns jetzt befanden. Jamie war ein sehr gewinnender junger Mann. Und da war dieser Moment, gleich nach meiner Ankunft auf Burg Leoch, als er mich auf seinen Schoß genommen hatte und…
Ich leerte mein Glas und klopfte wieder leicht aufs Bett.
»Setz dich zu mir«, sagte ich. »Und erzähl mir…« - ich suchte nach einem neutralen Gesprächsthema, das uns über die Peinlichkeit großer räumlicher Nähe hinweghelfen konnte -, »ja, erzähl mir von deiner Familie. Wo bist du aufgewachsen?«
Das Bett sank unter Jamies Gewicht. Er saß so dicht bei mir, daß der Ärmel seines Hemdes meinen Arm streifte. Ich ließ meine Hand locker auf meinem Schenkel liegen. Jamie ergriff sie wie selbstverständlich, und wir lehnten uns gegen die Wand. Wir blikkten nicht nach unten, waren uns jedoch beide des Bandes bewußt, als seien wir zusammengeschmiedet.
»Wo soll ich anfangen?« Jamie legte seine ziemlich großen Füße auf den Hocker und kreuzte sie in Höhe der Knöchel. Mit einer gewissen Erheiterung erkannte ich in ihm den typischen Schotten, der sich zur gemütlichen Zergliederung jenes Wirrwarrs von Familien-und Clanbeziehungen anschickt, der im Hintergrund von fast allen bedeutenden Ereignissen im Hochland steht. Frank und ich hatten einmal einen Abend im Dorfpub verbracht und fasziniert einem Gespräch zwischen zwei alten Käuzen gelauscht, bei dem die Ursache für die kürzlich erfolgte Zerstörung einer Scheune durch die Verwicklungen einer örtlichen Fehde bis zum Jahr 1790 zurückverfolgt wurde. Mit der Art von gelindem Schock, an die ich mich zu gewöhnen begann, wurde mir bewußt, daß jede Fehde, deren Anfänge sich damals für mich im Nebel der Zeiten verloren, noch gar
nicht begonnen hatte. Ich unterdrückte den inneren Aufruhr, den diese Erkenntnis hervorrief, und zwang mich zum Zuhören.
»Mein Vater war natürlich ein Fraser, ein Sohn des derzeitigen Herrn von Lovat. Meine Mutter war eine MacKenzie. Du weißt, daß Dougal und Colum meine Onkel sind?« Ich nickte. Die Ähnlichkeit war trotz der unterschiedlichen Haarfarbe unverkennbar. Die breiten Backenknochen und die lange, gerade, scharfgeschnittene Nase hatte er offenkundig von den MacKenzies geerbt.
»Meine Mutter war also die Schwester von Dougal und Colum, und außer ihr gab es noch zwei Schwestern. Meine Tante Janet ist tot wie meine Mutter, aber meine Tante Jocaste hat einen Cousin von Rupert geheiratet und lebt in der Nähe von Loch Eilean. Tante Janet hatte sechs Kinder, vier Jungen und zwei Mädchen; Tante Jocasta hatte drei, alles Mädchen; Dougal hat vier Töchter; Colum hat nur den kleinen Hamish; und meine Eltern hatten mich und meine Schwester - sie ist nach meiner Tante Janet getauft, aber wir haben sie immer Jenny genannt.«
»Rupert ist auch ein MacKenzie?« fragte ich, die bereits darum kämpfen mußte, alle auseinanderzuhalten.
»Aye. Er-« Jamie unterbrach sich einen Moment und dachte nach, »er ist ein Cousin von Dougal, Colum und Jocaste und damit mein Onkel zweiten Grades. Ruperts Vater und mein Großvater Jacob waren Brüder, und-«
»Einen Augenblick. Laß uns nicht weiter zurückgehen, als wir unbedingt müssen, sonst gerate ich hoffnungslos durcheinander. Wir sind noch nicht
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