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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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hatte den Kopf gesenkt.
    »Ich wußte nicht, daß er tot war«, flüsterte er. »Sie haben es mir
erst vier Wochen später gesagt - als sie dachten, ich sei stark genug, es zu ertragen. Und so begrub ich ihn nicht, wie ich’s als sein Sohn hätte tun sollen. Auch sein Grab habe ich nie gesehen.«
    »Jamie«, sagte ich, »o Jamie.«
    Nach langem Schweigen fuhr ich fort: »Aber dafür wirst du dich doch nicht verantwortlich fühlen - du darfst dich nicht dafür verantwortlich fühlen. Du hättest nichts tun können, Jamie.«
    »Nein?« erwiderte er. »Vielleicht nicht, obwohl ich mich frage, ob es auch geschehen wäre, wenn ich den anderen Weg gewählt hätte. Trotzdem, mir ist, als hätte ich Vater mit meinen eigenen Händen umgebracht.«
    »Jamie«, begann ich und verstummte ratlos. Er ritt eine Weile schweigend dahin, dann richtete er sich wieder auf und straffte die Schultern.
    »Ich habe niemandem davon erzählt«, sagte er. »Aber ich dachte, du solltest es erfahren - das mit Randall, meine ich. Du hast ein Recht zu wissen, was zwischen ihm und mir ist.«
    Was zwischen ihm und mir ist . Das Leben eines guten Mannes, die Ehre eines Mädchens und eine Lust, die in der Angst anderer Befriedigung suchte. Und jetzt, nahm ich mit einem flauen Gefühl im Magen an, gab es noch etwas, das ins Gewicht fiel. Mich. Zum ersten Mal bekam ich eine Vorstellung davon, was Jamie empfunden hatte, als er mit einer ungeladenen Pistole vor Randalls Fenster kauerte. Und ich begann ihm zu verzeihen.
    Als hätte er meine Gedanken erraten, sagte Jamie, ohne mich anzuschauen: »Weißt du … ich meine, begreifst du jetzt vielleicht, warum ich es für nötig gehalten habe, dich zu schlagen?«
    Ich wartete einen Moment, bevor ich antwortete. Ich begriff es, aber damit war es noch nicht abgetan.
    »Ich begreife«, sagte ich. »Und das verzeihe ich dir auch. Was ich dir nicht verzeihe, ist…« - ich erhob, ohne es zu wollen, die Stimme -, »daß du es genossen hast!«
    Jamie beugte sich vor, umklammerte den Sattelknauf und lachte. Der Himmel war inzwischen merklich heller geworden, und ich konnte Jamies Gesicht gut erkennen: Erschöpfung malte sich darin, Anspannung - und Heiterkeit.
    »Genossen!« sagte er, nach Atem ringend. »O Sassenach. Du warst so … Gott, du warst so schön. Ich war so wütend, und du hast dich so erbittert gegen mich gewehrt. Es war mir verhaßt, dir
weh zu tun, und gleichzeitig wollte ich’s … bei unserem Erlöser«, Jamie unterbrach sich und wischte sich mit dem Ärmel über die Nase. »Ja. Ja, ich habe es genossen. Obwohl du es mir hoch anrechnen solltest, daß ich mich dabei noch zurückgehalten habe.«
    Ich wurde wieder zornig. In der kühlen Morgenluft spürte ich, wie meine Wangen brannten.
    »Zurückhaltung nennst du das? Du hast mich fast zum Krüppel geschlagen, du arroganter Kerl!«
    »Wenn ich dich zum Krüppel geschlagen hätte, dann säßest du jetzt nicht so munter auf deinem Pferd«, erwiderte Jamie trocken. »Ich meine danach. Ich habe auf dem Boden geschlafen, wie du dich vielleicht erinnerst.«
    Ich musterte ihn scharf. »Oh, dann war das also Zurückhaltung?«
    »Nun, ich habe es nicht richtig gefunden, dich in dieser Verfassung zu nehmen, obwohl ich’s wirklich sehr gern getan hätte«, fügte Jamie hinzu.
    »Mich nehmen?« fragte ich, abgelenkt durch den archaischen Ausdruck.
    »Unter den gegebenen Umständen würde ich es nicht ›der Liebe huldigen‹ nennen - du vielleicht?«
    »Wie immer du es nennen möchtest«, sagte ich kühl, »es ist gut, daß du’s nicht versucht hast, sonst würden dir jetzt einige der von dir sehr geschätzten Teile deiner Anatomie fehlen.«
    »Das hat mir auch schon geschwant.«
    »Und wenn du meinst, du hättest ein Lob dafür verdient, weil du großmütig davon abgesehen hast, mich auch noch zu vergewaltigen, nachdem du schon -«, ich erstickte schier an meiner Wut.
    Wir ritten einen Kilometer lang schweigend. Dann stieß Jamie einen Seufzer aus. »Ich sehe schon, ich hätte dieses Gespräch nicht beginnen sollen. Dabei wollte ich dich im Grunde nur fragen, ob du gestattest, daß ich wieder das Lager mit dir teile.« Jamie legte eine scheue Pause ein. »Es ist ein bißchen kalt auf dem Boden.«
    Ich ließ mir gut fünf Minuten Zeit mit meiner Antwort. Als ich mir zurechtgelegt hatte, was ich sagen wolle, zügelte ich mein Pferd und drehte es quer zur Straße, so daß auch Jamie anhalten mußte. Bargrennan war in Sicht, man konnte die Dächer im ersten Licht

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