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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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meinen Vater bedeuten würde.« Jamie schnaubte, als fände er
etwas amüsant. »Dann sagte ich mir, der Mann hat bereits meine Schwester geschändet, und verflucht, mich soll er nicht auch noch haben.«
    Ich fand das nicht amüsant. Ich sah Jack Randall wieder vor mir - in einem neuen und abstoßenden Licht. Jamie rieb sich den Nacken; dann ließ er die Hand auf den Sattelknauf sinken.
    »Ich nahm also das bißchen Mut zusammen, das ich noch hatte, lehnte ab und warf ihm all die Schimpfworte an den Kopf, die mir gerade einfielen, und das aus vollem Hals.«
    Jamie verzog das Gesicht. »Ich fürchtete, wenn ich noch einmal darüber nachdachte, würde ich es mir anders überlegen; ich wollte sichergehen, daß keine Möglichkeit zur Umkehr bestand. Obwohl ich annehme«, fügte er hinzu, »daß sich ein solches Angebot nicht taktvoll ablehnen läßt.«
    »Richtig«, bestätigte ich trocken. »Ich glaube, Randall wäre, egal, was du gesagt hättest, nicht zufrieden gewesen.«
    »So kann man es ausdrücken. Er gab mit eine Maulschelle, damit ich ruhig war. Ich fiel um - war immer noch ein bißchen schwach -, und er stand vor mir und starrte auf mich herab. Ich war vernünftig genug, liegenzubleiben, bis er die Soldaten rief, damit sie mich abführten.« Jamie schüttelte den Kopf. »Er verzog keine Miene und sagte nur, als ich ging: ›Wir sehen uns am Freitag‹, wie wenn wir eine geschäftliche Verabredung hätten.«
    Die Soldaten hatten Jamie nicht in die Zelle zurückgebracht, die er mit drei anderen Gefangenen geteilt hatte. Statt dessen wurde er in ein winziges Gelaß eingesperrt, damit er alleine und ohne jede Ablenkung auf die Abrechnung am Freitag wartete. Nur der Wundarzt der Garnison schaute täglich nach seinem Rücken.
    »Er war kein besonders guter Heiler«, sagte Jamie, »aber ein freundlicher Mann. Am zweiten Tag brachte er außer Gänseschmalz und Holzkohle eine kleine Bibel mit, die einem verstorbenen Gefangenen gehört hatte. Er sagte, ihm sei zu Ohren gekommen, daß ich Papist sei, und ob ich Gottes Wort nun tröstlich fände oder nicht, wenigstens könnte ich mein Unglück mit dem von Hiob vergleichen.« Jamie lachte.
    »Seltsamerweise war es tröstlich. Unser Herr und Heiland mußte sich auch geißeln lassen, und ich konnte mir sagen, daß man mich danach immerhin nicht ans Kreuz schlagen würde.«
    Jamie hatte die kleine Bibel behalten. Nun wühlte er in seiner
Satteltasche und reichte sie mir. Es war ein abgegriffenes, in Leder gebundenes Büchlein, etwa zwölf Zentimeter lang und auf so dünnes Papier gedruckt, daß die Buchstaben der einen Seite auf der nächsten durchschienen. Auf dem Vorsatz stand: ALEXANDER WILLIAM RODERICK MACGREGOR, 1733. Die Tinte war verblaßt und verwischt, und die Deckel waren wellig, als sei das Buch öfter als einmal naß geworden.
    Ich betrachtete es neugierig von allen Seiten. Es mußte Jamie einige Mühe gekostet haben, es über die Abenteuer der letzten vier Jahre hinwegzuretten.
    Ich gab es ihm zurück und sagte: »Ich habe dich nie darin lesen sehen.«
    »Deshalb bewahre ich es auch nicht auf«, antwortete Jamie. Er steckte die Bibel wieder fort. Dann klopfte er gegen die Satteltasche.
    »Ich stehe in Alex MacGregors Schuld, und ich werde sie eines Tages begleichen.
    Wie auch immer«, fuhr Jamie fort und nahm den Faden seiner Geschichte wieder auf, »schließlich kam der Freitag, und ich wußte nicht, ob ich froh oder traurig sein sollte, daß ich ihn erleben durfte. Das Warten und die Furcht waren beinahe schlimmer als die Schmerzen. Dachte ich wenigstens. Doch als es dann soweit war …« Jamie vollführte jenes seltsame, halbe Achselzucken, das für ihn so typisch war. »Nun, du hast die Narben gesehen. Du weißt, wie es war.«
    »Nur weil Dougal es mir erzählt hat. Er sagte, er sei dabeigewesen.«
    Jamie nickte. »Ja, Dougal war dabei. Und mein Vater auch, obwohl ich das nicht wußte.«
    »Oh«, sagte ich langsam, »und dein Vater -«
    »Richtig. Da geschah es. Einige Männer erzählten mir hinterher, daß sie, als ich es zur Hälfte hinter mir hatte, gedacht hätten, ich sei tot, und mein Vater nahm das wohl auch an.« Jamie zögerte und sprach mit heiserer Stimme weiter. »Als ich zusammensackte - so berichtete mir Dougal -, gab mein Vater einen gedämpften Laut von sich und faßte mit der Hand nach seinem Kopf. Dann fiel er um. Und stand nicht wieder auf.«
    Die Vögel begannen sich zu regen, sie riefen aus dem immer noch dunklen Laub der Bäume. Jamie

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