Feuer Und Stein
sicher zu Bett gehen.« Er segnete mich und war schon durch die Schwingtür am Ende des Korridors verschwunden, bevor mir eingefallen war, ihn nach seinem Namen zu fragen.
Ich schaute noch einmal zu Jamie hinein und beugte mich über ihn. Er war wieder eingeschlafen und atmete leicht; die Stirn war gerunzelt. Versuchsweise strich ich zart über sein Haar. Die Stirn entspannte sich kurz, zog sich aber sofort wieder in Falten. Seufzend steckte ich die Decke hinter seinen Schultern fest.
Am nächsten Morgen fühlte ich mich viel besser, aber Jamie war nach dieser Nacht hohläugig und überempfindlich. Von Fleischbrühe oder Biersuppe zum Frühstück wollte er nichts wissen, und als ich den Verband an seiner Hand erneuern wollte, fuhr er mich gereizt an: »Um Himmels willen, Claire! Kannst du mich nicht mal in Ruhe lassen? Ich will nicht, daß du noch weiter an mir herumstocherst!«
Grollend zog er die Hand zurück. Ohne etwas zu sagen, drehte ich mich um und machte mich daran, die Salben und Medizinfläschchen auf dem Seitentisch zu sortieren. Ich ordnete sie nach ihrer Funktion: Ringelblumen- und Pappelsalbe zur Linderung, Weidenrinde, Kirschrinde und Kamille für Tee, Knoblauch und Schafgarbe zum Desinfizieren.
»Claire.« Ich drehte mich um und sah, daß er mit einem beschämten Ausdruck im Bett saß.
»Es tut mir leid, Sassenach. In meinem Bauch rumort es, und ich habe verdammt schlechte Laune heute morgen. Aber ich habe kein Recht, dich anzuknurren. Vergibst du mir?«
Ich ging rasch zu ihm hinüber und umarmte ihn leicht.
»Du weißt, daß es nichts zu entschuldigen gibt. Aber was ist mit deinem Bauch los?« Nicht zum ersten Mal bemerkte ich, daß Intimität und Romantik nicht dasselbe waren.
Er zog eine Grimasse, beugte sich nach vorne und preßte die Arme auf den Bauch. »Es wäre mir recht, wenn du mich ein Weilchen allein lassen würdest.« Ich entsprach seiner Bitte augenblicklich und sah mich nach meinem eigenen Frühstück um.
Als ich etwas später aus dem Refektorium zurückkam, sah ich einen adretten Franziskaner über den Hof in Richtung Kreuzgang gehen.
»Vater!« rief ich, und er drehte sich um und lächelte.
»Guten Morgen, Madame Fraser - das ist doch Ihr Name? Und wie geht es Ihrem Gatten heute morgen?«
»Besser«, sagte ich und hoffte, daß es zutraf. »Ich wollte Ihnen noch einmal für letzte Nacht danken. Sie waren weg, bevor ich Sie auch nur nach Ihrem Namen fragen konnte.«
Seine klaren haselnußbraunen Augen blitzen, als er sich mit der Hand auf dem Herzen leicht verbeugte. »François Anselm Mericœur d’Armagnac, Madame. So jedenfalls bin ich geboren. Jetzt heiße ich nur Vater Anselm.«
»Anselm vom Fröhlichen Herzen?« fragte ich lächelnd. Er zuckte mit den Schultern.
»Man bemüht sich«, antwortete er mit einem leicht ironischen Lächeln.
»Ich möchte Sie nicht aufhalten«, sagte ich mit Blick auf den Kreuzgang. »Ich wollte Ihnen nur für Ihre Hilfe danken.«
»Sie halten mich keineswegs auf, Madame. Ich habe meine Arbeit vor mir hergeschoben und mich sündiger Muße hingegeben.«
»Was ist Ihre Arbeit?« fragte ich neugierig. Offensichtlich war dieser Mann ein Besucher der Abtei. Seine braune Franziskanerkutte wirkte wie ein Farbklecks unter den schwarzen Benediktinern. Es gab einige Besucher im Kloster, wie mir Bruder Polydor, einer der dienenden Brüder, erzählt hatte. Die meisten von ihnen waren Gelehrte, die sich hier aufhielten, um in der berühmten Bibliothek der Abtei zu arbeiten. Anselm schien einer von ihnen zu sein. Er war seit einigen Monaten mit der Übersetzung verschiedener Werke von Herodot beschäftigt.
»Haben Sie die Bibliothek schon gesehen? Kommen Sie«, sagte er auf mein Kopfschütteln, »sie ist wirklich sehr eindrucksvoll,
und ich bin sicher, daß der Abt, Ihr Onkel, nichts dagegen haben wird.«
Die Bibliothek interessierte mich, außerdem war ich froh, die Rückkehr in den einsamen Gästeflügel etwas hinauszögern zu können, also folgte ich ohne Zögern.
Die Bibliothek war in der Tat sehr schön. Das hohe Dach wurde von gotischen Säulen getragen, die in Spitzbögen zusammenliefen. Dazwischen waren hohe Fenster, die das Licht in die Bibliothek fluten ließen. Die meisten waren aus klarem Glas, aber es gab auch einige Buntglasfenster. Auf Zehenspitzen ging ich an den tief über die Bücher gebeugten Mönchen vorbei und stand bewundernd vor einem solchen Fenster, auf dem die Flucht aus Ägypten dargestellt war.
Einige
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