Feuer Und Stein
waren, war sein Gesicht bleich und glänzte feucht.
»Ja. Ich habe die Fesseln gesehen, die mir in die Handgelenke schnitten. Meine Hände waren fast schwarz, und die Stricke rieben über die blanken Knochen. Ich hatte mein Gesicht an den Pfahl gepreßt. Am Ende der Peitschenriemen waren Bleigewichte, die mir bei jedem Schlag ins Fleisch schnitten.
Die Peitsche zischte immer wieder herunter, und mir wurde klar, daß er nicht aufhören würde. Die Bleigewichte schlugen jedesmal kleine Fleischklumpen aus meinem Körper. Das Blut… mein Blut rann mir an den Seiten herunter und sickerte in meinen Kilt. Ich fror fürchterlich.
Dann schaute ich wieder nach oben und sah, daß das Fleisch von meinen Händen abfiel und sich die nackten Fingerknochen ins Holz krallten. Auch meine Arme waren nur noch Knochen. Da habe ich dann wohl angefangen zu brüllen.
Es hat jedesmal eigenartig geklappert, wenn er mich traf, und nach einer Weile erkannte ich, was es war. Er hatte kein Fleisch mehr auf meinen Knochen gelassen, und die Bleigewichte schlugen auf meine blanken Rippen. Und ich wußte, daß ich tot war, aber das war egal. Er machte immer weiter, bis ich in Stücke zerfallen unter dem Pfahl lag, aber er hörte nicht auf, und…«
Ich machte eine Bewegung, um ihn zu halten und ihm die Hand auf den Mund zu legen, aber er hatte selbst schon aufgehört zu sprechen und biß sich fest auf die eingerissene Unterlippe.
»Jamie, ich bleibe heute nacht bei dir«, sagte ich. »Ich mache mir ein Lager auf dem Fußboden.«
»Nein.« Trotz seiner Schwäche war er immer noch dickköpfig. »Am besten läßt du mich allein. Ich bin nicht müde. Geh und sieh, daß du etwas zum Abendessen bekommst, Sassenach. Ich… ich lese noch ein wenig.« Er beugte den Kopf über die Seite. Nachdem ich ihm eine Minute lang hilflos zugesehen hatte, tat ich, was er verlangte, und ging.
Jamies Zustand beunruhigte mich zunehmend. Die Übelkeit blieb; er aß so gut wie nichts, und das, was er aß, konnte er selten bei sich behalten. Er wurde immer fahler und teilnahmsloser. Tagsüber schlief er viel, weil er in der Nacht so wenig Ruhe fand. Trotz seiner Angst vor den Träumen wollte er nicht, daß ich nachts bei ihm blieb, um mir nicht auch noch den Schlaf zu rauben.
Da ich nicht ständig um ihn herumflattern wollte, selbst wenn er es erlaubt hätte, verbrachte ich einen Großteil meiner Zeit mit Bruder Ambrosius im Herbarium oder im Trockenraum, oder ich schlenderte mit Vater Anselm über die Ländereien der Abtei. Er nutzte die Gelegenheit, um mir die Grundlagen des katholischen Glaubens nahezubringen, obwohl ich ihm wiederholt versichert hatte, daß an meinem grundsätzlichen Agnostizismus nichts zu ändern sei.
»Ma chère« , sagte er schließlich, »erinnern Sie sich daran, wie ich Ihnen gestern erklärt habe, was die Grundvoraussetzungen einer sündigen Tat sind?«
Wie auch immer es um meine Moral bestellt sein mochte - mit meinem Gedächtnis war alles in Ordnung.
»Erstens muß man wissen, daß es falsch ist, und zweitens aus vollem Herzen zustimmen«, wiederholte ich.
»Ja, diese Zustimmung ist entscheidend. Und das, ma chère , ist auch die Grundvoraussetzung für die Erlangung göttlicher Gnade.« Wir lehnten am Zaun des Schweinepferchs der Abtei und beobachteten mehrere große braune Eber, die sich in der Wintersonne wärmten. Er legte den Kopf auf die verschränkten Arme, die er auf den Zaun gestützt hatte.
»Ich weiß nicht, wie ich zustimmen sollte«, protestierte ich. »Gnade ist doch sicherlich etwas, das man hat oder nicht hat. Ich meine« - ich zögerte, weil ich nicht unhöflich sein wollte -, »für
Sie ist das Ding auf dem Altar in der Kapelle Gott. Für mich ist es ein Stück Brot, wie schön das Gefäß auch sein mag, in dem es aufbewahrt wird.«
Er seufzte ungeduldig und richtete sich auf.
»Mir ist aufgefallen, daß Ihr Gatte nicht gut schläft, und folglich auch Sie nicht. Da Sie sowieso nicht schlafen, lade ich Sie ein, mich heute nacht zu begleiten und mit mir eine Stunde in der Kapelle zu wachen.«
Ich schaute ihn scharf an. »Warum?«
Und er antwortete mit einem Schulterzucken: »Warum nicht?«
Es fiel mir nicht schwer, für mein Treffen mit Anselm rechtzeitig aufzustehen, vor allem deswegen, weil ich noch nicht geschlafen hatte. Jamie auch nicht. Wann immer ich in den Flur hinausschaute, sah ich flackerndes Kerzenlicht durch die halboffene Tür seines Zimmers fallen, hörte das Rascheln von Buchseiten und
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