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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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des Körpers, das Blut, die Galle und all das, sind in diesem Augenblick in vollkommener Harmonie.« Er lächelte. Seine Zähne waren etwas schief, der einzige Schönheitsfehler an seiner ansonsten vollendeten Erscheinung.
    »Ich frage mich oft, ob dieser Augenblick genauso ist wie der Augenblick der Geburt oder des Todes. Ich weiß, daß dieser Zeitpunkt für jeden Mann… und«, fügte er mit einem höflichen Nicken zu mir hinzu, »für jede Frau verschieden ist.
    Aber dann, in diesem winzigen Augenblick, scheint alles möglich zu sein. Man betrachtet die Begrenzungen seines eigenen Lebens und stellt fest, daß sie nichts bedeuten. In diesem Augenblick, wenn die Zeit stillsteht, dann ist es, als könnte man jedes Wagnis eingehen, es erfolgreich bestehen und dann wieder zu sich zurückkehren und feststellen, daß die Welt unverändert ist, genau so, wie man sie einen Augenblick vorher verlassen hat. Und es ist, als ob…« Er zögerte einen Augenblick und suchte nach den richtigen Worten.
    »Als ob dann, wenn alles möglich ist, nichts mehr notwendig ist.«
    »Aber… tun Sie denn irgend etwas?« fragte ich. »Ich meine, beten oder so?«
    »Ich?« sagte er langsam. »Ich sitze da und schaue ihn an.« Ein breites Lächeln zog die fein geschwungenen Lippen auseinander. »Und er sieht mich an.«
     
    Jamie saß im Bett, als ich zu seinem Zimmer zurückkehrte. Er entschloß sich, auf meine Schulter gestützt, zu ein paar vorsichtigen Gehversuchen im Flur. Aber er wurde vor Anstrengung bleich, begann zu schwitzen und legte sich ohne Widerstand wieder hin, als ich die Decke zurückschlug.

    Ich bot ihm Fleischbrühe und Milch an, aber er schüttelte den Kopf. »Ich habe keinen Appetit, Sassenach. Wenn ich etwas zu mir nehme, wird mir, fürchte ich, wieder schlecht.«
    Ich drängte ihn nicht, sondern stellte die Brühe wortlos zur Seite.
    Beim Abendessen gelang es mir, ihn zu ein paar Löffeln Suppe zu überreden. Er aß sogar eine ganze Menge, konnte aber nichts bei sich behalten.
    »Es tut mir leid, Sassenach«, sagte er hinterher. »Ich bin ekelhaft.«
    »Macht nichts, Jamie, und außerdem bist du nicht ekelhaft.« Ich stellte die Schüssel vor die Tür, setzte mich neben ihn und strich ihm die wirren Haare aus der Stirn.
    »Mach dir keine Sorgen. Dein Magen ist einfach noch zu gereizt. Vielleicht habe ich dich zu schnell zum Essen gedrängt. Gib ihm eine Pause, damit er heilen kann.«
    Er schloß die Augen und seufzte.
    »Es wird schon werden«, sagte er teilnahmslos. »Was hast du heute gemacht, Sassenach?«
    Er war unruhig und fühlte sich sichtlich unwohl, aber er entspannte sich ein wenig, als ich ihm von meinen Erkundungen erzählte: der Bibliothek, der Kapelle, der Weinpresse und des Kräutergartens, wo mir endlich der berühmte Bruder Ambrosius begegnete.
    »Er ist erstaunlich«, sagte ich begeistert. »Aber da fällt mir ein, du hast ihn ja schon gesehen.« Bruder Ambrosius war groß, sogar größer als Jamie, mit einem langen, faltig herabhängenden Gesicht, das ihn wie einen Basset aussehen ließ, und zehn langen knochigen Fingern. Und jeder dieser Finger war leuchtend grün.
    »Unter seinen Händen scheint einfach alles zu gedeihen«, sagte ich. »Er hat alle gewöhnlichen Kräuter, dazu ein Gewächshaus, das so klein ist, daß er nicht einmal darin stehen kann, und da wachsen Dinge, die es in dieser Jahreszeit oder in diesem Teil der Welt gar nicht geben dürfte, ganz zu schweigen von den importierten Gewürzen und Betäubungsmitteln.«
    Das erinnerte mich an letzte Nacht, und ich blickte aus dem Fenster. Es wurde jetzt im Winter schon früh dunkel, und die Laternen der Mönche, die draußen noch zu tun hatten, schaukelten hin und her.

    »Es wird dunkel. Glaubst du, daß du einschlafen kannst? Bruder Ambrosius hat ein paar Mittel, die dir helfen könnten.«
    Seine Augen waren stumpf vor Müdigkeit, aber er schüttelte den Kopf.
    »Nein, Sassenach. Ich will nichts. Wenn ich einschlafe… nein, ich lese noch ein wenig.« Anselm hatte ihm eine Auswahl philosophischer und historischer Werke aus der Bibliothek gebracht, und er streckte die Hand nach einem Band Tacitus aus, der auf dem Tisch lag.
    »Du brauchst Schlaf, Jamie«, sagte ich sanft und beobachtete ihn. Er öffnete das Buch, starrte aber weiter an die Wand.
    »Ich habe dir nicht erzählt, was ich geträumt habe«, sagte er plötzlich.
    »Du hast gesagt, du wärst im Traum ausgepeitscht worden.« Mir gefiel sein Aussehen nicht; wo keine Blutergüsse

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