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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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sein Aufstöhnen, wenn er sich bewegte.
    Da ich nicht schlafen konnte, hatte ich mich erst gar nicht ausgezogen und war bereit, als Anselm an meine Tür klopfte.
    Im Kloster war es still. Die Kapelle war dunkel, abgesehen vom roten Schein des Ewigen Lichtes und ein paar weißen Opferkerzen, deren Flammen in der reglosen Luft still vor den Heiligenbildern brannten.
    Ich folgte Anselm durch das kurze Mittelschiff und beugte wie er die Knie. Die schlanke Gestalt von Bruder Bartholomäus kniete vorne mit gesenktem Kopf. Er schaute sich nicht nach uns um, als wir leise eintraten, sondern verharrte still in frommer Anbetung.
    Das Allerheiligste wurde von der Pracht des Gefäßes beinahe erdrückt. Die riesige Monstranz aus purem Gold war fast einen Fuß breit; sie stand mitten auf dem Altar und bewahrte in ihrer Mitte ein schlichtes Stück Brot.
    Ich fühlte mich etwas unbehaglich und nahm auf dem Sitz Platz, den Anselm mir ziemlich weit vorne zuwies. Das Gestühl war mit geschnitzten Engeln, Blumen und Dämonen reich verziert. Ich hörte hinter mir ein leichtes Knarren, als Anselm sich setzte.
    »Aber was soll ich tun?« hatte ich ihn, um die nächtliche Stille nicht zu stören, flüsternd gefragt, als wir uns der Kapelle näherten.
    »Nichts, ma chère «, hatte er schlicht geantwortet. »Einfach sein.«

    So saß ich also da und lauschte auf meinen eigenen Atem und die winzigen Geräusche der Stille, das Knarren von Holz, das leise Zischen der Kerzenflammen.
    Es war ein friedvoller Ort, das konnte ich nicht leugnen. Bei aller Erschöpfung und den Sorgen um Jamie entspannte ich mich allmählich, und meine Gedanken kamen nach und nach zur Ruhe. Merkwürdigerweise war ich überhaupt nicht müde, trotz der späten Stunde und der Strapazen der letzten Tage und Wochen.
    Was waren schon Tage und Wochen angesichts der Ewigkeit? Und der standen wir hier gegenüber, zumindest empfanden das Anselm, Bartholomäus, Ambrosius und all die anderen Mönche bis hinauf zu Abt Alexander.
    Es war im Grunde eine tröstliche Idee: Wenn es unbegrenzt Zeit gab, dann waren die Ereignisse eines gegebenen Augenblicks weniger wichtig. Ich bekam eine Ahnung davon, daß man die Welt vielleicht anders betrachtet, wenn man sich ein wenig zurückzieht und sich in die Kontemplation eines ewigen Wesens vertieft.
    Das Rot des Ewigen Lichts brannte stetig und spiegelte sich im glatten Gold. Die langen weißen Kerzen vor den Statuen des heiligen Giles und der Muttergottes flackerten und knisterten gelegentlich, aber die rote Lampe brannte heiter und ruhig.
    Und falls es die Ewigkeit gab, oder auch nur die Idee der Ewigkeit, dann hatte Anselm recht. Dann war alles möglich. Auch alle Liebe? Ich hatte Frank geliebt und liebte ihn noch immer. Und ich liebte Jamie, mehr als mein eigenes Leben. Aber innerhalb der Grenzen, die die Zeit und das Fleisch setzten, konnte ich nicht beide behalten. Im Jenseits vielleicht? Ob es wohl einen Ort gab, an dem die Zeit nicht mehr existierte? Anselm glaubte das. Einen Ort, wo alles möglich war und nichts mehr notwendig.
    Und gab es dort Liebe? War jenseits der Grenzen, die Fleisch und Zeit setzten, alle Liebe möglich? War sie notwendig?
    Die Stimme meiner Gedanken schien Onkel Lamb zu gehören. Er war meine Familie. Alles, was ich als Kind von Liebe wußte, kam von ihm, einem Mann, der nie von Liebe gesprochen hatte, bei dem das nie nötig war, denn ich wußte, daß er mich liebte, so sicher wie ich wußte, daß ich lebendig war. Denn wo Liebe ist, sind Worte überflüssig. Liebe ist alles. Sie ist unvergänglich. Und sie ist genug.
    Die Zeit verging, ohne daß ich es merkte, und ich war überrascht, als Anselm plötzlich vor mir stand; offenbar war er aus der
kleinen Tür neben dem Altar getreten. Er hatte doch hinter mir gesessen? Ich schaute mich um und sah einen jungen Mönch am Eingang die Knie beugen. Anselm verbeugte sich tief vor dem Altar und machte mir dann mit dem Kopf ein Zeichen in Richtung Tür.
    »Sie sind weggegangen?« fragte ich ihn vor der Kapelle. »Aber ich dachte, Sie dürften das Allerheiligste nicht allein lassen?«
    Er lächelte gelassen. »Das habe ich nicht getan, ma chère . Sie waren ja da.«
    Ich unterdrückte den Impuls, ihm zu sagen, daß ich ja nicht zählte. Schließlich gab es wohl kaum eine offizielle Qualifikation zum Anbeter. Man brauchte nur ein Mensch zu sein, und ich ging davon aus, daß ich das war, auch wenn ich mich zeitweise nicht so fühlte.
    Jamies Kerze brannte noch, als ich an

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