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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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seiner Tür vorbeiging und hörte, wie er eine Seite umblätterte. Ich hätte hineingeschaut, aber Anselm brachte mich an die Tür meines eigenen Zimmers. Ich blieb stehen, um ihm eine gute Nacht zu wünschen und ihm dafür zu danken, daß er mich zur Kapelle mitgenommen hatte.
    »Es war… erholsam«, sagte ich, nachdem ich eine Weile nach dem richtigen Wort gesucht hatte.
    Er nickte und blickte mich an. »Oui, Madame, das ist es.« Als ich gehen wollte, sagte er: »Ich habe Ihnen gesagt, daß das Allerheiligste nicht allein war, weil Sie da waren. Aber was ist mit Ihnen, ma chère ? Waren Sie allein?«
    Ich sah ihn einen Augenblick an, bevor ich antwortete.
    »Nein, das war ich nicht.«

39
    Eine Seele wird erlöst
    Am Morgen schaute ich wie gewöhnlich nach Jamie und hoffte, daß er etwas hatte zu sich nehmen können. Kurz vor seinem Zimmer trat Murtagh aus einer Nische hervor und verstellte mir den Weg.
    »Was ist los?« fragte ich barsch. »Ist etwas nicht in Ordnung?« Mein Herz begann schneller zu schlagen, und meine Handflächen wurden feucht.
    Meine Panik muß offensichtlich gewesen sein, denn Murtagh schüttelte den Kopf. »Nein, es geht ihm gut, oder jedenfalls nicht schlechter als vorher.« Er faßte mich leicht am Ellbogen und führte mich den Gang hinunter. Mir fiel auf, daß Murtagh mich zum ersten Mal absichtlich berührt hatte.
    »Was ist los mit ihm?« fragte ich mit Nachdruck. Das durchfurchte Gesicht des kleinen Mannes war so ausdruckslos wie immer, aber die Augenlider zuckten leicht.
    »Er möchte dich jetzt nicht sehen.«
    Ich blieb ruckartig stehen und zog meinen Arm zurück.
    »Und warum nicht?«
    Murtagh zögerte, als würde er jedes Wort auf die Waagschale legen. »Also… er hat entschieden, daß es am besten wäre, wenn du ihn hierläßt und nach Schottland zurückkehrst. Er -«
    Der Rest von dem, was er sagen wollte, ging verloren, denn ich schob ihn beiseite und hastete in Jamies Zimmer.
    Die schwere Tür fiel hinter mir dumpf ins Schloß. Jamie döste mit dem Gesicht nach unten auf dem Bett. Er war nicht zugedeckt und trug nur das kurze Hemd eines Novizen; das Kohlebecken in der Ecke machte das Zimmer angenehm warm, wenn auch ein wenig rauchig.
    Er zuckte heftig zusammen, als ich ihn berührte. Seine Augen waren noch vom Schlaf verhangen und lagen tief in den Höhlen;
sein Gesicht zeigte, daß er wieder von Träumen heimgesucht worden war. Ich nahm seine Hand, aber er zog sie weg. Verzweiflung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Er schloß die Augen und vergrub sein Gesicht in den Kissen.
    Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen und zog leise einen Stuhl neben ihn. »Ich werde dich nicht berühren«, sagte ich, »aber du mußt mit mir sprechen.« Ich wartete einige Minuten, während er bewegungslos dalag. Endlich seufzte er und setzte ich auf. Er bewegte sich langsam und unter Schmerzen und schwang die Beine über die Bettkante.
    »Aye«, sagte er, ohne mich anzuschauen, »das muß ich wohl. Ich hätte es früher tun sollen… aber ich war so feige, daß ich gehofft habe, es würde mir erspart bleiben.« Seine Stimme war bitter, und er hielt den Kopf gesenkt. »Ich habe mich nie für feige gehalten, aber ich bin es. Ich hätte Randall dazu bringen sollen, mich zu töten. Ich hatte keinen Grund mehr zu leben, aber zum Sterben war ich nicht mutig genug.« Seine Stimme wurde so leise, daß ich ihn kaum mehr verstehen konnte. »Und ich wußte, daß ich dich noch einmal sehen mußte… um es dir zu sagen… aber… Claire, meine Liebe … o Claire.«
    Er nahm das Kissen und drückte es wie zum Schutz an sich, ein Ersatz für den Trost, den er bei mir nicht finden konnte.
    »Als du mich in Wentworth zurückgelassen hast, Claire, da habe ich auf deine Schritte gelauscht, wie sie sich draußen auf dem Steinboden entfernten, und ich sagte mir, ich denke jetzt an sie, an ihre Haut und an den Duft ihres Haares und an die Berührung ihrer Lippen. Ich denke an sie, bis sich diese Tür wieder öffnet. Und ich denke morgen an sie, wenn ich unter dem Galgen stehe, um mutig den letzten Schritt zu tun. In der Zwischenzeit, von dem Augenblick, wo die Tür aufgeht, bis zu dem Augenblick, wo ich hier herausgehe, um zu sterben, werde ich überhaupt nicht denken.«
    In seinem Kerker hatte er die Augen geschlossen und gewartet. Die Schmerzen waren nicht zu schlimm, solange er stillsaß, aber er wußte, daß es bald schlimmer werden würde. Zwar fürchtete er den Schmerz, aber er war schon oft damit fertig

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