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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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verhungern läßt - außer, es macht dir Spaß zuzuschauen!«
    Das war nun wirklich zuviel.
    »Du undankbares Schwein!«
    »Du Drachen!«
    Ich richtete mich zu meiner vollen Größe auf und deutete mit ausgestrecktem Arm drohend auf das Bett. Mit der ganzen Autorität, die ich mir in meiner Zeit als Krankenschwester angeeignet hatte, sagte ich: »Geh sofort ins Bett, du sturer, idiotischer -«
    »Schotte«, beendete er kurz und bündig meinen Ausfall. Er machte einen Schritt zur Tür und wäre hingefallen, wenn er sich nicht gerade noch an einem Hocker hätte festhalten können. Sein Blick war verschwommen, und er schwankte gefährlich. Ich ballte die Fäuste und blitzte ihn an.

    »In Ordnung! Ganz wie du willst. Ich bestelle Brot und Fleisch für dich, und wenn du auf den Boden gekotzt hast, dann kannst du es selber wieder aufwischen! Ich werde es nicht tun, und ich werde Bruder Roger sagen, daß er es mit mir zu tun bekommt, wenn er es macht!«
    Ich stürmte hinaus und hatte kaum die Tür hinter mir zugeschlagen, als von der anderen Seite die Waschschüssel dagegenkrachte. Als ich mich umdrehte, sah ich mich einem interessierten Publikum gegenüber, das vom Lärm angezogen worden war. Bruder Roger und Murtagh standen nebeneinander im Gang und starrten mir ins gerötete Gesicht und auf den wogenden Busen. Roger sah beunruhigt aus, aber auf Murtaghs zerfurchtem Gesicht machte sich ein Lächeln breit, als er die gälischen Flüche hinter der Tür hörte.
    »Es geht ihm also besser«, meinte er zufrieden. Ich lehnte mich an die Steinquader und merkte, wie auch ich zu lächeln begann.
    »Ja«, sagte ich. »Ja, es geht ihm besser.«
     
    Ich hatte den Vormittag im Herbarium verbracht, und auf dem Weg zurück ins Hauptgebäude traf ich Bruder Anselm. Sein Gesicht hellte sich auf, als er mich sah, und er lud mich zu einem Spaziergang durch die Gärten der Abtei ein.
    »Ihr Problem ist wirklich interessant«, sagte er und brach einen Zweig von einem Busch. Er untersuchte die Knospen, warf den Zweig weg und blickte zum Himmel, wo die Sonne schwächlich durch die leichte Wolkendecke blinzelte.
    »Es wird schon wärmer, aber bis zum Frühling dauert es noch eine ganze Weile. Die Karpfen dürften heute munter sein - lassen Sie uns zum Fischteich hinuntergehen.«
    Es handelte sich dabei keineswegs, wie ich erwartet hatte, um ornamental angelegte Zierteiche, sondern um zweckdienliche, mit Steinen eingefaßte Bassins, die in der Nähe der Küche lagen. Sie wimmelten von Karpfen und sorgten dafür, daß freitags und an Fastentagen etwas auf den Tisch kam, wenn das Wetter so rauh war, daß man nicht aufs Meer fahren und Schellfisch, Hering und Flundern fangen konnte.
    Wie Anselm gesagt hatte, waren die Fische äußerst munter. Ihre wohlgenährten Leiber glitten aneinander vorbei, und manchmal schlugen sie so heftig mit den Flossen, daß es spritzte. Als unser Schatten aufs Wasser fiel, wandten sich die Fische uns zu.

    »Sobald sie Menschen sehen, glauben sie, sie werden gefüttert«, erklärte Anselm. »Wir sollten sie nicht enttäuschen. Einen Moment bitte, chère madame .«
    Er verschwand in der Küche und kehrte mit etwas altem Brot zurück. Wir standen am Rand des Teichs, rissen Brotbrocken ab und warfen sie in die unersättlichen Mäuler im Wasser.
    »Die eigenartige Situation, in der Sie sich befinden, hat zwei Aspekte«, begann Anselm das Gespräch. Er schaute mich von der Seite an, und plötzlich lächelte er. »Ich kann es noch immer kaum glauben, wissen Sie. Welch ein Wunder! Gott ist wahrhaftig gut, daß er mir solches offenbart.«
    »Schön für Sie«, sagte ich ein wenig trocken. »Ich weiß nicht, ob er mir gegenüber ebenso zuvorkommend war.«
    »Wirklich? Ich glaube, ja.« Anselm hockte sich hin und zerkrümelte Brot zwischen den Fingern. »Es ist wahr, die Situation hat Ihnen nicht geringe Unannehmlichkeiten bereitet -«
    »So kann man es auch sagen.«
    »Aber«, fuhr er fort, ohne meinen Einwurf zu beachten, »man kann es auch als ein Zeichen der Gnade Gottes sehen.« Die strahlenden braunen Augen betrachteten mich nachdenklich.
    »Ich habe vor dem Allerheiligsten um Erleuchtung gebeten, und als ich in der Stille der Kapelle wachte, sah ich Sie als Schiffbrüchige vor mir. Das scheint mir ein zutreffendes Bild für Ihre derzeitige Lage zu sein, oder nicht? Stellen Sie sich nur eine solche Seele vor, Madame, die plötzlich in einem fremden Land gestrandet ist, fern von Freunden, fern von allem Bekannten, ganz und

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