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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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gar angewiesen auf das, was das Land bietet. Ein solches Ereignis ist wahrhaftig ein Unglück, aber es kann auch ein Neubeginn sein, der großartige Möglichkeiten und großen Segen mit sich bringt. Was, wenn das neue Land reich ist? Neue Freundschaften können entstehen, und ein neues Leben kann beginnen.«
    »Ja, aber -«, wollte ich einwenden, aber er brachte mich mit erhobenem Zeigefinger zum Schweigen.
    »Wenn Ihnen also Ihr früheres Leben weggenommen wurde, so vielleicht nur deswegen, weil Gott Sie mit einem anderen Leben segnen möchte, das möglicherweise reicher und erfüllter ist.«
    »Über mangelnde Fülle kann ich mich nicht beklagen, aber -«
    »Nun, von seiten des kanonischen Rechtes gibt es keine Schwierigkeiten, was Ihre beiden Ehen angeht. Beides waren gültige, von
der Kirche gesegnete Ehen. Und genaugenommen geht Ihre Ehe mit dem jungen Herrn dort drinnen Ihrer Ehe mit Monsieur Randall voraus.«
    »Ja, ›genaugenommen‹«, stimmte ich zu und konnte meinen Satz ausnahmsweise beenden, »aber nicht in meiner Zeit. Ich vermute, daß solche Fälle im kanonischen Recht nicht vorgesehen sind.«
    Anselm lachte, und die Spitze seines Bartes zitterte in der leichten Brise.
    »Wie wahr, ma chère , wie wahr. Alles, was ich sagen wollte, war, daß Sie rein rechtlich weder eine Sünde noch ein Verbrechen begangen haben, was diese beiden Männer betrifft. Das sind die zwei Aspekte Ihrer Situation, die ich vorhin gemeint habe: Was Sie getan haben, und was Sie tun werden .« Er griff nach meiner Hand und zog mich zu sich herunter, so daß unsere Augen auf derselben Höhe waren.
    »Haben Sie mich das nicht gefragt, als ich Ihnen die Beichte abgenommen habe? Was habe ich getan? Und was soll ich tun?«
    »Ja, genau. Und Sie sagen mir, daß ich nichts Falsches getan habe? Aber ich habe -«
    Mir fiel auf, daß er einem genauso ins Wort fiel wie Dougal MacKenzie.
    »Nein, das haben Sie nicht«, sagte er bestimmt. »Man kann in Übereinstimmung mit den göttlichen Gesetzen und mit dem eigenen Gewissen handeln, verstehen Sie, und dennoch in Schwierigkeiten und tragische Verstrickungen geraten. Es ist die schmerzhafte Wahrheit, daß wir immer noch nicht wissen, warum le bon Dieu zuläßt, daß das Böse existiert. Aber wir haben sein Wort dafür.
    ›Ich habe das Gute geschaffen‹, sagt er in der Bibel, ›und ich habe das Böse geschaffen.‹ Folglich können auch gute Menschen, und vielleicht gerade sie, im Leben in große Verwirrungen und Schwierigkeiten geraten. Nehmen Sie zum Beispiel den jungen Mann, den Sie zu töten gezwungen waren. Nein«, sagte er und hob abwehrend die Hand, als ich etwas einwenden wollte, »genauso ist es. Sie waren in Ihrer äußersten Bedrängnis gezwungen, ihn zu töten. Selbst die Mutter Kirche, die die Unantastbarkeit des Lebens lehrt, erkennt die Notwendigkeit an, sich selbst und seine Familie zu verteidigen. Und wenn ich an den damaligen Zustand Ihres Gatten denke« - er schaute über die Schulter zum Gästeflügel zurück -, »dann habe ich keinen Zweifel, daß Sie den Weg der
Gewalt einschlagen mußten. Also haben Sie auch keinen Grund, sich Vorwürfe zu machen. Natürlich tut es Ihnen leid, denn, Madame, Sie sind eine äußerst mitfühlende Frau.« Er tätschelte mir freundlich die Hand.
    »Manchmal führen unsere besten Taten zu Ergebnissen, die höchst bedauerlich sind. Und doch hätten Sie nicht anders handeln können. Wir wissen nicht, was Gott mit diesem jungen Mann vorhatte - vielleicht wollte er den Jungen zu genau diesem Zeitpunkt zu sich nehmen.«
    Ich fröstelte, als mir ein kleiner Windstoß in die Haare fuhr, und wickelte mich enger in meinen Schal. Anselm sah es.
    »Vielleicht möchten Sie die Füße ins Wasser stellen, Madame? Es ist warm.«
    »Warm?« fragte ich ungläubig. Mir war bisher gar nicht aufgefallen, daß selbst an den Rändern der Bassins kein Eis zu sehen war, während doch die Weihwasserbecken außen an der Kirche zugefroren waren.
    Anselm zog seine Ledersandalen aus. Seine Gesichtszüge waren vornehm, seine Stimme war kultiviert, aber seine Füße waren wuchtig wie die eines Bauern aus der Normandie. Er hob den Rock bis zum Knie und steckte die Füße ins Bassin. Die Karpfen schossen davon, drehten sich aber sogleich wieder um, um den Eindringling neugierig zu beäugen.
    »Sie beißen doch nicht, oder?« fragte ich mit einem mißtrauischen Blick auf die zahllosen gefräßigen Mäuler.
    »Nein, kein Fleisch. Ihre Zähne sind nicht weiter

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