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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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aber mehr oder weniger wohlwollenden Blicken begleitet.
    Bis dahin schienen die Fälle hauptsächlich für die betroffenen Parteien von Interesse gewesen zu sein. Die Zuschauer hatten leise miteinander geschwatzt und darauf gewartet, daß sie an die Reihe kamen. Bei meinem Auftritt hatte es Gemurmel gegeben - Mutmaßungen und, wie ich glaubte, Einverständnis.
    Doch nun kam es zu einem kleinen Aufruhr. Ein kräftiger Mann trat vor und zog ein junges Mädchen mit sich. Sie war ungefähr sechzehn, hatte ein hübsches, schmollendes Gesicht und lange, mit einem blauen Band zurückgebundene strohblonde Haare. Sie stolperte in den freien Raum vor Colums Sessel und stand alleine da, während sich der Mann hinter ihr auf gälisch äußerte, mit den Armen herumfuchtelte und gelegentlich erklärend oder anklagend auf das Mädchen wies. Die Menge raunte unterdessen immer wieder.
    Mrs. FitzGibbons reckte gespannt ihren Hals. Ich beugte mich zu ihr und flüsterte: »Was hat das Mädchen getan?«
    Die kolossale Dame antwortete, ohne den Blick vom Geschehen abzuwenden. »Ihr Vater bezichtigt sie liederlichen Betragens; sie soll sich mit jungen Männern herumgetrieben haben, obwohl er ihr das verboten hatte. Er möchte, daß sie der MacKenzie wegen Ungehorsams bestraft.«

    »Bestraft? Und wie?« wisperte ich.
    »Psst.«
    Die allgemeine Aufmerksamkeit richtete sich nun auf Colum, der das Mädchen und ihren Vater betrachtete. Er blickte von ihr zu ihm und begann zu sprechen. Stirnrunzelnd klopfte er auf die Armlehne seines Sessels, und ein Schauder durchlief die Menge.
    »Er hat entschieden«, flüsterte Mrs. FitzGibbons. Was er entschieden hatte, war klar; der Riese regte sich zum ersten Mal und schnallte geruhsam seinen Gürtel auf. Die beiden Wachen faßten das entsetzte Mädchen bei den Armen und drehten sie so, daß sie Colum und ihrem Vater den Rücken zuwandte. Sie begann zu weinen, erhob jedoch keinerlei Einspruch. Die Menge sah mit jener intensiven Erregung zu, die bei öffentlichen Hinrichtungen und Verkehrsunfällen gang und gäbe ist. Plötzlich erhob sich eine gälische Stimme. Sie kam vom hinteren Ende des Saales.
    Neugierig wandten die Leute den Kopf. Mrs. FitzGibbons verrenkte sich schier den Hals, stellte sich sogar auf die Zehenspitzen, damit sie besser sehen konnte. Ich wußte nicht, was gesagt worden war, meinte jedoch, die tiefe, sanfte Stimme zu kennen.
    Die Leute traten beiseite, und Jamie MacTavish trat hervor. Er neigte den Kopf respektvoll vor dem MacKenzie und sprach dann weiter. Was immer er sagte, es schien eine Kontroverse zu verursachen. Colum, Dougal, der Schreiber und der Vater des Mädchens trugen alle ihr Scherflein dazu bei.
    »Worum geht es?« flüsterte ich Mrs. FitzGibbons zu. Mein Patient sah schon wesentlich besser aus, wenn er auch noch ein wenig blaß wirkte. Er hatte irgendwo ein sauberes Hemd gefunden; der leere rechte Ärmel war gefaltet und stak im Bund seines Kilts.
    Mrs. FitzGibbons beobachtete alles mit großem Interesse. »Der Junge bietet an, die Strafe des Mädchens auf sich zu nehmen«, sagte sie geistesabwesend.
    »Was? Aber er ist verletzt! Das läßt man doch sicher nicht zu!«
    Mrs. FitzGibbons schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht, Mädel. Sie disputieren gerade darüber. Zwar kann sich ein Mann aus ihrem Clan für sie opfern, aber der Junge ist kein MacKenzie.«
    »Nein?« Ich war überrascht, denn ich hatte ganz naiv vermutet, alle Männer der Gruppe, die mich gefangen hatte, kämen von Burg Leoch.

    »Natürlich nicht«, erwiderte Mrs. FitzGibbons ungeduldig. »Können Sie seinen Tartan nicht sehen?«
    Doch, ich sah ihn, nachdem sie mich darauf hingewiesen hatte. Zwar trug auch Jamie einen grün-braunen Jagdtartan, aber die Farbtöne waren etwas anders als bei den übrigen Männern im Raum. Das Braun war dunkler, fast wie Baumrinde, und hatte blaßblaue Streifen.
    Anscheinend gaben Dougals Argumente den Ausschlag. Das Häuflein der Ratgeber zerstreute sich, und die Menge verstummte, wich zurück, wartete. Die beiden Wachen ließen das Mädchen los, und sie reihte sich schnell zwischen den anderen ein, während Jamie vortrat, um ihren Platz einzunehmen. Ich beobachtete entsetzt, wie die Wachen Anstalten machten, seine Arme zu packen, aber er sagte auf gälisch etwas zu dem Mann mit dem Gürtel, und die Wachen zogen sich zurück. Überraschenderweise erhellte ein breites, freches Grinsen Jamies Gesicht. Und seltsamer noch, der Riese erwiderte das Lächeln.
    »Was hat er

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