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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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kühlen Luft, die durchs Fenster in den Raum strömte. Ich versuchte, über meine Erlebnisse nachzudenken, aber mein Verstand weigerte sich, etwas anderes als Schlaf in Betracht zu ziehen. Ich schlüpfte unter die Decke, blies die Kerze aus und schlummerte, noch während ich den aufgehenden Mond betrachtete, ein.
     
    Am nächsten Morgen weckte mich wieder die kolossale Mrs. FitzGibbons. Sie brachte alles an Toilettenartikeln mit, was einer wohlgeborenen schottischen Dame zur Verfügung stehen sollte. Bleikämme, um Brauen und Wimpern zu schwärzen; Tiegel mit pulverisierter Veilchenwurzel und Reismehl; sogar etwas Antimonpulver, wie ich annahm, obwohl ich noch nie welches gesehen hatte; und ein mit vergoldeten Schwänen verziertes Porzellantöpfchen, das französisches Rouge enthielt.
    Mrs. FitzGibbons hatte auch einen gestreiften grünen Rock, ein seidenes Mieder und gelbe Florstrümpfe für mich dabei - Abwechslung und Kontrast zu dem Wollstoff, den sie mir tags zuvor
gebracht hatte. Ich hatte zwar keine Ahnung, was in der »Halle« geschehen würde, aber ganz offensichtlich handelte es sich um eine wichtige Angelegenheit. Ich war in Versuchung, darauf zu bestehen, in meinen eigenen Sachen daran teilzunehmen, einfach aus Widerspruchsgeist, aber die Erinnerung an die Reaktion des dikken Rupert auf mein »Hemd« hielt mich dann doch davon ab.
    Außerdem mochte ich Colum, obwohl er anscheinend die Absicht hatte, mich weiß Gott wie lange hierzubehalten. Nun, wir werden sehen, dachte ich, während ich mir größte Mühe mit dem Rouge gab. Dougal hatte gesagt, der junge Mann, den ich verarztet hatte, sei im Stall, nicht wahr? Und dort befanden sich vermutlich Pferde, auf denen man davonreiten konnte. Ich beschloß, sobald die Sache in der Halle vorbei war, auf die Suche nach Jamie MacTavish zu gehen.
    Die »Halle« war der Speisesaal, in dem wir gestern zu Abend gegessen hatten. Man hatte Tische, Bänke und Stühle an die Wand gerückt, den Tisch am Ende des Raumes entfernt und durch einen massiven geschnitzten Sessel aus dunklem Holz ersetzt, der - zumindest vermutete ich das - mit dem MacKenzie-Tartan bedeckt war, einem Plaid in Dunkelgrün und Schwarz mit feinem rotweißem Karomuster. Ilexzweige schmückten die Wände, und die steinernen Fliesen waren mit frischen Binsen bestreut.
    Hinter dem leeren Sessel blies ein junger Pfeifer einen kleinen Dudelsack auf, daß es nur so seufzte und keuchte. In der Nähe des Pfeifers waren Leute, die ich für Mitglieder von Colums engstem Stab hielt: ein schmalgesichtiger Mann mit karierter Hose und Kittelhemd, der lässig an der Wand lehnte; ein Männlein mit schütteren Haaren und einem Rock aus feinem Brokat, offenbar ein Schreiber, da er, mit Tintenfaß, Federkielen und Papier bewaffnet, an einem kleinen Tisch saß; zwei muskulöse Burschen im Kilt, die wie Wachen aussahen, und auf der Seite einer der größten Männer, die ich je gesehen hatte.
    Ich starrte den Riesen mit einer gewissen Scheu an. Dicke schwarze Haare wucherten ihm bis tief in die Stirn und trafen fast mit den buschigen Augenbrauen zusammen. Wahre Matten bedeckten seine ungeheuren Unterarme, die sich dem Blick darboten, weil er sein Hemd aufgekrempelt hatte. Im Gegensatz zu den meisten Männern hier schien er unbewaffnet bis auf ein sehr kleines Messer, das er im Strumpf trug. Um seine kräftige Taille spannte
sich ein breiter Ledergürtel. Trotz seiner Größe hatte der Koloß eine freundliche Miene; er schien mit dem schmalgesichtigen Mann zu scherzen, der im Vergleich zu seinem Gesprächspartner wie ein Püppchen wirkte.
    Der Pfeifer begann plötzlich zu spielen: Eine Art einleitendes Aufstoßen wurde von ohrenbetäubendem Kreischen abgelöst, das schließlich in etwas Melodieähnliches überging.
    Es waren dreißig bis vierzig Menschen im Saal, alle, so schien es, besser gekleidet und gepflegter als die Esser am Abend zuvor. Sämtliche Köpfe drehten sich zum unteren Ende des Saales, wo jetzt Colum eintrat, gefolgt von seinem Bruder Dougal.
    Die MacKenzies waren dem feierlichen Anlaß entsprechend gekleidet; beide trugen einen dunkelgrünen Kilt und gutgeschnittene Röcke, lindgrün der von Colum, rostbraun der von Dougal, über der Brust ein Plaid, der an der Schulter mit einer großen, edelsteingeschmückten Brosche befestigt war. Colums Haare wallten heute bis auf die Schultern und waren sorgsam geölt und gelockt. Dougal hatte die seinen, die im Ton fast genau der Farbe seines Rocks entsprachen, zum

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