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Feuer Und Stein

Titel: Feuer Und Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Zopf gebunden.
    Colum schritt gemessen durch den ganzen Saal und lächelte und nickte den Leuten zu. Nahe der Stelle, an der sein Sessel stand, sah ich einen zweiten Eingang. Natürlich hätte Colum den Saal auch durch diese Tür betreten können. Also war die Zurschaustellung seiner krummen Beine und seines unbeholfenen Gewatschels auf dem langen Weg zu seinem Sessel volle Absicht. Beabsichtigt war auch der Gegensatz zu seinem hochaufgeschossenen, kerzengerade gewachsenen jüngeren Bruder, der weder nach rechts noch nach links schaute, sondern mit Colum zu dem Sessel ging und sich unmittelbar dahinter hinstellte.
    Colum setzte sich und wartete einen Moment; dann hob er die Hand. Das Wehklagen des Dudelsacks erstarb mit einem letzten jämmerlichen Gewinsel, und die Veranstaltung begann.
    Offenbar war dies der Tag, an dem der Burgherr von Leoch für seine Freisassen und Pächter Recht sprach, Fälle anhörte und Streitigkeiten schlichtete. Es gab auch eine Tagesordnung - der Schreiber mit den schütteren Haaren verlas die Namen, und die Parteien traten nacheinander vor.
    Einige Fälle wurden auf englisch verhandelt, die meisten jedoch auf gälisch. Ich hatte schon bemerkt, daß diese Sprache mit viel
Augenrollen und Fußgestampfe verbunden war, so daß man anhand des Auftretens der Beteiligten kaum beurteilen konnte, wie gravierend eine Sache war.
    Gerade als ich zu dem Schluß kam, daß ein ziemlich vermottetes Exemplar von Mann mit einer ungeheuren Felltasche, die aus einem ganzen Dachs gefertigt war, seinem Nachbarn nicht weniger als Mord, Brandstiftung und den Diebstahl seiner Frau zur Last legte, zog Colum die Brauen hoch und sagte rasch etwas auf gälisch, bei dem sich Kläger und Beklagter vor Lachen die Seiten hielten. Zu guter Letzt nickte der Kläger, wischte sich die Augen und reichte seinem Widersacher die Hand, während der Schreiber emsig Protokoll führte; sein Gänsekiel scharrte so eilig übers Papier wie Mäusefüßchen.
    Ich kam als fünfte an die Reihe. Eine wohlüberlegte Plazierung, dachte ich mir, die der versammelten Menge andeuten sollte, wie wichtig meine Anwesenheit auf der Burg war.
    Mir zuliebe wurde jetzt englisch gesprochen.
    »Mistress Beauchamp, würden Sie bitte vortreten?« rief der Schreiber.
    Unnötigerweise von Mrs. FitzGibbons feister Hand gestoßen, stolperte ich in den freien Raum vor Colums Sessel und versank, so wie ich es bei anderen Frauen gesehen hatte, in einen - freilich recht unbeholfenen - Knicks. Die Schuhe, die man mir gegeben hatte, waren ziemlich formlos, was anmutige Bewegungen erschwerte. Ein Raunen lief durch die Menge, als Colum mir die Ehre erwies, sich von seinem Sessel zu erheben. Er reichte mir die Hand, und ich nahm sie, um nicht platt auf die Nase zu fallen.
    Ich wand mich aus dem Knicks auf, wobei ich innerlich meine Schuhe verwünschte, und merkte, daß ich Dougals breite Brust anstarrte. Er hatte mich angeschleppt, und so war es offenbar an ihm, formell darum zu ersuchen, daß ich hier aufgenommen oder festgehalten wurde. Ich wartete gespannt darauf, wie die Brüder meine Anwesenheit erklären wollten.
    »Sir«, begann Dougal und verneigte sich vor Colum, »wir bitten um Milde und Nachsicht gegenüber einer Dame, die des Beistands und einer sicheren Zuflucht bedarf. Mistress Claire Beauchamp, eine Engländerin aus Oxford, ist, nachdem Räuber sie überfallen und ihren Diener arglistig getötet hatten, in die Wälder der MacKenzies geflohen, wo sie von meinen Männern und mir entdeckt
und gerettet wurde. Wir ersuchen darum, daß Burg Leoch dieser Dame ein Obdach gewährt, bis -«, Dougal legte eine kleine Pause ein, und ein zynisches Lächeln kräuselte seine Lippen, »bis ihre englischen Bekannten und Verwandten über ihren Verbleib in Kenntnis gesetzt und Vorkehrungen für eine sichere Weiterreise getroffen werden können.«
    Die Betonung auf »englisch« entging mir nicht, und den anderen im Saal gewiß ebensowenig. Also hatte man vor, mich zu dulden, aber mißtrauisch im Auge zu behalten. Hätte Dougal »ihre französischen Bekannten« gesagt, hätte man mich als Freundin betrachtet oder schlimmstenfalls als eine Art neutrale Störung. Es könnte schwieriger werden, aus der Burg zu entkommen, als ich gedacht hatte.
    Colum verneigte sich huldvoll vor mir und bot mir die unbegrenzte Gastfreundschaft seines bescheidenen Heimes an - so oder ähnlich lauteten seine Worte. Ich knickste erneut, mit etwas besserem Erfolg, und trat zurück, von neugierigen,

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