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Feuer und Wasser (Urteil: Leben!) (German Edition)

Feuer und Wasser (Urteil: Leben!) (German Edition)

Titel: Feuer und Wasser (Urteil: Leben!) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kera Jung
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und von Gram gebeugt, jedoch mit ungebändigtem Stolz überleben würde. Nein, er hat nicht vor, seine These zu überprüfen, ist allerdings fast überzeugt korrekt zu liegen. Mindestens empfindet er Wut.
    Nicht auf Josie. Was ihr da vorschwebt, ist derart irre, dass es unmöglich auf ihrem Mist gewachsen sein kann. Kein vernünftiger Mensch reimt sich so etwas einfach zusammen. Ihm will nicht in den Schädel, wie es ihr gelungen ist, in dieser sexualisierten Welt, in der man in jeder beschissenen Videothek die Sexfilme in den Auslagen betrachten darf, dieses Bild aufrechtzuerhalten.
    Gehört ihre Mutter irgendeiner Sekte an? Oder sind die Großeltern nur streng religiös? Mit Entsetzen denkt er an das Aufklärungsgespräch, das er im Alter von zwölf Jahren mit seinem Vater führen musste. Nicht, dass es ihn sonderlich interessiert hätte, aber Stephen entschied, dass es an der Zeit sei, ihn in das Thema einzuführen. Und er führte ihn ein. Als Andrew nach einer Stunde das Arbeitszimmer seines Dads verließ, wusste er so ungefähr alles, was ihn erwartete – einschließlich der Tatsache, dass er sich tunlichst Kondome zulegen müsse, wenn er keinen frühen und furchtbaren Aidstod sterben wollte.
    Hat mit ihr niemand so ein Gespräch geführt?
    Ihm ist unbegreiflich, wie sie diese Überzeugungen so lange aufrecht halten konnte. Verdammt, sie war schließlich am College! Es existiert kein Ort, an dem häufiger ungewollte Schwangerschaften entstehen und an dem sich ausufernder in den Betten gewälzt wird. Das weiß er sogar ganz genau. Andrew war während seines gesamten Studiums pausenlos gezwungen, vor irgendwelchen verwirrten Kommilitoninnen zu flüchten, die der Meinung waren, ihn bekehren zu müssen. Wie hat sie sich vor all den Jungen gerettet? Ach ja, da war doch was. Sie ist ja geflohen.
    Und die Freundinnen? Sprechen die Frauen nicht ständig über Sex? Hat sie wirklich nie zugehört, wenn in ihrer Nähe von der letzten Nacht die Rede war? Oder vom vergötterten Freund? Wie gelingt es einem Mädchen – einem modernen, definitiv – sich diese mittelalterlichen Ansichten zu bewahren?
    Wie geht das?
    Mittlerweile ist er nicht mehr von der Genialität seines Wunsches überzeugt, ihre Mutter kennenzulernen. Er fürchtet zu sehr um seine Kontrolle. Denn dort wird die Ursache für dieses Fiasko liegen. Das ist die einzige logische Erklärung. Sie hat diese Überlegungen nicht erst gestern vollbracht. Diese irrsinnigen Schussfolgerungen sind das Produkt von Jahren, wenn nicht Jahrzehnten. Und er ahnt, dass Klein–Josie nie auch nur auf die Idee kam, es könnte sich vielleicht anders verhalten. Wahrscheinlich ist sie von ihren eigenen Reaktionen derart überrollt worden, dass sie überhaupt nicht nachvollziehen kann, was mit ihr geschieht.
    Aber er leidet mit ihr. Und nicht nur, weil er nicht das bekommt, was er will. Er merkt, wie sie sich quält, wohnt ihrem internen Kampf bei, erkennt, was sie begehrt und wie sie es sich vorenthält – aus einem Grund, der ihm absolut schleierhaft ist. Sie martert und versagt sich alles, was ihr Freuden verspricht. Das Mädchen hat furchtbare Angst davor, dass er sie deshalb fallen lässt, und ist dennoch gezwungen, sein Urteil mit gesenktem Haupt entgegenzunehmen.
    Ist das normal?
    Leise lacht er auf. Nein, das ist es garantiert nicht. Normal ist völlig anders. Abgesehen von seinem Zorn sucht ihn eine weitere Emotion heim: Furcht – möglicherweise sogar ein Hauch von Panik, gefangen in dieser unerträglichen Ausweglosigkeit.
    Denn er braucht Josie. Sie wird das nie verstehen – das gelingt ihm ja selbst kaum. Wenn sie sich ihm verweigert, seine Nähe nicht duldet, weil irgendeine innere Stimme es ihr verbietet, dann ist es, als würde sie ihm ein Messer in die Brust rammen. Er weiß nicht, wie lange er dem standhalten wird, bevor er explodiert. Erneut dankt er dem Umstand, dass der DS zurück ist. Allein wird ihm das nicht gelingen, er schafft es ja nicht einmal, neben ihr zu sitzen, ohne zumindest ihre Hand zu nehmen. Doch er darf sie auch nicht mit seinen Bedürfnissen konfrontieren, weil sie das nur noch unter größeren Druck setzen würde.
    In Wahrheit verhält es sich allerdings so: Je öfter sie ihn zurückweist, desto mehr steigt in ihm das Verlangen, sich abzureagieren. Obwohl sie da ist, ist sie gleichzeitig meilenweit von ihm entfernt. Das ist etwas, womit er nicht nur unmöglich umgehen kann, gleichfalls lässt es ihn dermaßen verzweifeln, dass er wieder

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