Feuer und Wasser (Urteil: Leben!) (German Edition)
droht, die Kontrolle einzubüßen. Daher beschließt er, sich zukünftig tunlichst von allem Spitzen und Scharfen fernzuhalten.
Nur vorsichtshalber.
Darüber hinaus nimmt er sich vor, sich mit dem Thema Josie zu befassen. Intensiv. Um ihretwillen – jedoch auch für sich selbst.
Als sie gegen Nachmittag das Haus betreten, gehen sie wortlos ihren Beschäftigungen nach. Andrew weiß nicht, was Josie tut, doch er verabschiedet sich stumm in Richtung Büro.
Ihr Sicherheitsabstand hat jetzt das ungefähre Ausmaß von einem Meter.
Normalerweise würde ihn ein derartiges Verhalten grinsen lassen, tut es aber nicht. Denn diese einhundert Zentimeter sind für ihn gleichbedeutend mit zwei verschiedenen Kontinenten. Unter diesen Umständen gelingt es ihm nicht, sich in ihrer Gegenwart aufzuhalten, ohne die Beherrschung zu verlieren. Weshalb er die kommenden sechs Stunden in seinem Arbeitszimmer verbringt.
Dort vergisst er seine Probleme, das Chaos, diese neuen Empfindungen, die ihn verwirren, und sogar die Hilflosigkeit, die ihn immer erfasst, wenn er in ihre grünen Augen sieht, in denen steht: Liebe mich. Bitte! Während ihr Mund jedoch zischt. »Kommst du ihm zu nahe, du Schwein, dann BRING ich mich UM!«
Der DS ist eher mäßig zufrieden.
Es ist ein Anfang, Norton! Du bist zwar ein verträumter Idiot und dazu noch notgeil, ich denke, in dem Punkt sind wir uns einig. Doch zumindest entwicklungsfähig.
Andrew grinst. Ja, so ist der alte Knabe. Und wahrscheinlich ist das auch gut so ...
Auf das Dinner verzichtet er. Dazu müsste er sich in Josies Nähe begeben, was wiederum das ganze Durcheinander abermals an die Oberfläche bringen würde, welches er gerade so erfolgreich zurückgedrängt hat.
Stattdessen sucht er nach Julias Karte, die sie ihm garantiert nach Hause geschickt hat. Aus irgendeinem Grund, den er nicht versteht, hasst seine kleine Schwester die Trust. Er wird fündig. Ihre Präsentation findet am kommenden Tag um siebzehn Uhr in einem beliebten Eventsaal Tampas statt. Derartige Veranstaltungen sind gut frequentiert; Julia wird an alle Personen, die sie kennt und die ihr fremd sind, Einladungen verschickt haben. Unüberschaubare Menschenmassen, keine Sicherheitskontrollen – der beste Ort, um einen Angriff auf Josie zu wagen. Nein, er wird morgen nicht ohne Demetri und Sebastian gehen. Vielleicht erweisen sich seine Sorgen als unbegründet, doch ein ‚Vielleicht‘ genügt ihm nicht, es beinhaltet definitiv zu gravierende Risiken.
Daher greift er zum Telefon und kontaktiert Finch.
Als er um elf Uhr sein Schlafzimmer betritt, erwartet ihn die übliche beruhigende Atmosphäre des Raumes. Der Mond scheint durch das Fenster und taucht ihn in ein sanftes Dämmerlicht. Und im Bett schlummert – in seinem getragenen Hemd von gestern – Josie.
Obwohl der DS seine Braue tadelnd erhebt, verzichtet Andrew auf die Dusche. Körperpflege ist wichtig, Josie wichtiger. Hastig entledigt er sich seiner Hose und legt sich zu ihr. Sie wird nicht wach, als er sie in die Arme zieht – so klein, beinahe noch ein Kind. Wie eine Puppe. Die Nachbildung eines Menschen. Viel zu verletzlich für die Welt.
Beschützenswert.
Das Mädchen schmiegt sich an ihn und bettet den Kopf an seine Brust. Bevor er einschläft, denkt er:
Ich liebe dich, Josie. Egal, wie verrückt du bist.
Montag, 22. März
Piep – Piep – Piep.
Diesmal muss Andrew nicht überlegen. Er dreht sich zur Seite, lässt Josie dabei allerdings nicht los und schaltet zum zweiten Mal in seinem Leben einen Wecker aus.
Sie ist munter, als er sie wieder ansieht.
»Guten Morgen«, murmelt er und küsst sie, während in ihm wahre Freudenfeuer explodieren. Noch nie zuvor war er so gelassen, ohne Zweifel ausgeruht und zufrieden – nun, fast – aufgewacht.
Der erste Tag in seinem neuen Leben.
Geordnet und diszipliniert.
Ja.
Aber nicht mehr allein.
Das erste Frühstück seines neuen Lebens besteht aus Rührei, Speck, Orangensaft und Kaffee – von Andrew zubereitet. Das ist zwar keine Innovation, er hat jedoch entschieden, dass eine kluge Symbiose aus alt und neu vielleicht das beste Rezept sei.
Langsam angehen lassen, richtig?
Dann fordert Pflegerin Kent vehement, ihm einen frischen Verband anzulegen, was er widerstandslos über sich ergehen lässt. In Wahrheit genießt er es sogar, denn der Meter Sicherheitsabstand trat in Kraft, sobald sie sich aus dem Bett erhoben haben. Sie muss ihn unterschreiten, um ihrer wahren Bestimmung nachgehen zu
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