Feuer und Wasser (Urteil: Leben!) (German Edition)

Fuchs, aber nicht unsympathisch. Geradlinig, ehrlich und gleichzeitig verschlagen und gerissen, wenn es um seinen finanziellen Vorteil geht.
    Andrew lehnt sich in seinem Stuhl zurück und blickt zur Tür. In Erwartung des alten grauhaarigen Mannes, mit den schlauen, blitzenden blauen Augen und der gebückten Haltung.
    Es erscheint jedoch ein Junge.
    Nun ja, Junge ist vielleicht relativ, denn er mag so alt wie Andrew sein. Blondes, gelocktes schulterlanges Haar umrahmt ein ernstes, ruhiges, möglicherweise sogar kluges Gesicht und ... die besagten Augen. Nur sind diese hier nicht in tiefen Runzeln eingebettet und sein Gang wirkt alles andere als schwerfällig und gebückt. Wenn das der alte Hargreve ist, dann ist Andrew der Papst höchstpersönlich. Das mag der Sohn sein – das Aussehen gehört eindeutig zur Familie. Aber der Konzernchef tendiert eher dazu, dass der Enkel seines Geschäftspartners vor ihm steht. Er ist groß, mindestens einen Meter neunzig. Sein Auftreten vermittelt Unbefangenheit und ist von einer beiläufigen Eleganz, die ihresgleichen sucht. Er verfügt über die gleiche natürliche Selbstverständlichkeit, die bereits sein Großvater trotz gebrechlicher Haltung ausstrahlt.
    Am Schreibtisch angekommen, lächelt er. Andrew hat sich erhoben, um ihn willkommen zu heißen.
    »Mein Name ist Austin Hargreve, Mr. Norton. Ich bin Peter Hargreves Enkel und habe vor einem Monat die Geschäfte meines Grandpas übernommen.«
    Andrews Lächeln fällt wie immer knapp aus. »Angenehm, Mr. Austin Hargreve. Nehmen Sie Platz!«
    Als sie sitzen, runzelt er die Stirn. »Darf ich Ihnen etwas anbieten? Einen Kaffee, vielleicht? Oder eine Erfischung?«
    »Ein Kaffee wäre nett.«
    Der Apparat befindet sich bereits in Andrews Hand. »Gail, bitte einen Kaffee für Mr. Hargreve.« Dann schaut er auf seinen Bildschirm. »Sind die Daten geläufig oder soll ich Ihnen eine Kopie des gültigen Vertrages bringen lassen?« Aus den Augenwinkeln sieht er, wie sich die Tür öffnet.
    »Nein, Sir. Ich bin selbstverständlich vorbereitet«, erwidert Enkel Hargreve und greift zu seiner Aktentasche.
    Nie zuvor ist Andrew aufgefallen, wie sexy Gails Beine geformt sind, in ihrer Jugend muss sie eine Granate gewesen sein. Nun, vielleicht ist sie das bei ihrem Jahrgang ja immer noch. Was weiß er über das Sexleben von Mittsechzigern? Nichts. Gott sei Dank! Allein die Vorstellung ...
    Doch er wagt trotzdem einen zweiten Blick, denn nicht nur die untere Hälfte fällt außerordentlich bemerkenswert aus. Auch ihre Figur ist eine ... Offenbarung . Heute durch das beigefarbene, eng sitzende Kostüm mit dem kurz über dem Knie endenden Rock. Die weiße Bluse darunter deutet ziemlich feste Brüste an, für jemanden, der mit konstanten Schritten auf die Siebzig zu schreitet. Beginnt nicht irgendwann die Gravitation zu arbeiten? Dann nimmt Andrew ein kleines Kinn und volle, rosige Lippen wahr ... benutzt Gail nicht immer diesen pinkfarbenen Lippenstift?
    Scheiße!
    Gail, diese überbezahlte Gehilfin hat offenbar nichts Besseres zu tun, als Miss Kent, ihres Zeichens Andrews persönliche Retterin und seit gestern Mitbewohnerin seines Hauses, den Kaffee bringen zu lassen! Ist sie unfähig, sich allein zu bewegen? Hier drohen nämlich etliche Katastrophen! Zunächst einmal stehen die Chancen für das helle Kostüm im Moment alles andere als gut. Er würde sie auf maximal zwanzig zu achtzig dotieren. Zweitens wollte er sie angemessen begrüßen und scheitert, weil ja der Enkel im Raum weilt, um seine dämlichen fünfundzwanzig Cent pro Stück mehr auszuhandeln. Drittens: Andrew muss unbedingt vermeiden, dass sie diesen Hargreve kennenlernt und an vorderster Stelle, dass der Mann sie sieht!
    Gut, vernünftig betrachtet hat er das bereits beim Eintreten, scheinbar war Gail trotz unmissverständlicher Anweisung nicht imstande, Miss ich jongliere mal wieder auf äußerst verdächtige Art mit der Tasse Kent ins Büro des Chefs zu schicken. Wie lange ist sie denn anwesend? Andrew versucht, sie direkt anzusehen, doch sie konzentriert sich ausschließlich auf das Porzellan. Was er ihr nicht ganz verübeln kann, schließlich ist das Teil mit Nitroglyzerin gefüllt und sie drohen mitsamt allen Versagern, die dieses Gebäude derzeit beherbergt, in die Luft zu gehen, wenn Miss ich habe mir geschworen, meinen Boss zu ignorieren, und der hat nicht die geringste Ahnung, weshalb, Kent versagt.
    Als wäre das nicht schon genug, wendet sich Enkel Hargreve genau in dieser