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Feueraugen I. Das Dorf

Feueraugen I. Das Dorf

Titel: Feueraugen I. Das Dorf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Zeram
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eigentümliche Spannung in dieser Situation.
    'Sie sind mir zwar sehr böse, aber irgendwie hat Rodolphe ihr Interesse angeheizt. Sie möchten mich ein wenig winseln sehen und würden dabei keinesfalls einen Rückzieher machen. Sollen Sie von mir aus ein bisschen Schauspielerei haben.'
    Einigermaßen verständlich will Baldwin seine Ausführungen schon halten und so lässt er wohl unbewusst oder absichtlich -wer könnte es sagen- wieder ein paar Details fort. Aber seine große Erklärung klingt dennoch, als fühlte er sich wie der unverschämte Betrüger, als den ihn zumindest Michel hingestellt hat.
    Eine knappe Viertelstunde später wissen alle in etwa, worum es wirklich geht.
    Ein mit Baldwin befreundeter Philologe in Dublin hat in seiner zum größten Teil ererbten Schriftensammlung eine ungewöhnliche Abhandlung entdeckt: die –im Titel als solche bezeichnet- 'Legende vom Feueraugen-Orden' auf einem Schloss mit Namen 'Rachass'.
    Nachforschungen haben weder bestimmen können, woher und aus welcher Zeit die Schrift stammt, noch wie und wann sie in die Sammlung gekommen ist.
    "Es handelt sich um einen Bericht eines gewissen Carl Caulk. Dieser ist in englischer Sprache abgefasst und ein Hinweis deutet an, dass Caulk wiederum Teile eines anderen, sehr alten Textes in seinen Bericht integriert hat, der in einer Sprache verfasst sein musste, die nur wenige Gelehrte zu übersetzen imstande sind. Caulk war offenbar einer von diesen wenigen.
    Einige Wochen vergingen, da stieß mein Bekannter bei einem befreundeten Linguisten in Wien auf einen weiteren Text von einem unbekannten Autor. Dieser 'Jemand' bezieht sich in seiner Schrift auf Caulks Entdeckungen. So jedenfalls schien es.
    Interessant an der ganzen Sache waren für mich im Gegensatz zu meinem Bekannten in Dublin aber eigentlich nicht die linguistischen Eigenheiten oder was immer ihn fasziniert haben könnte. Mir ging es von Anfang an um den Inhalt des Berichtes von Caulk: Ein offensichtlich im frühen Mittelalter als quasi religiöser Orden gegründeter Zusammenschluss von Leuten, die es als ihre Aufgabe verstanden, dem sittlichen Verfall der Menschen entgegen zu wirken. Es werden in diesem Text kaum Beispiele angeführt, aber die Bestrafung all derer, die sich etwas zuschulden kommen hatten lassen, muss furchtbar gewesen sein. Die Ordensmitglieder rückten regelmäßig zu richtigen Betrafungstouren aus."
    "Das klingt ja sehr mysteriös." meint Marlène.
    "Ja. Deswegen bin ich sofort auf die ganze Sache heiß gewesen." erklärt Baldwin. "Da gibt es eine Geschichte von einem Richter im Dorf, der eines Tages grauenvoll verstümmelt aufgefunden wurde. Das Verbrechen scheint nie geklärt worden zu sein - aber in einem der Dokumente gab es Erklärungen hierfür. Der Richter war ein bestechlicher Schuft, der immer dem Recht gab, der ihn ordentlich dafür bezahlte. Ein paar andere Fälle sind ebenfalls beschrieben – aber nicht viele. Eben als Präzedenzfälle angeführt.
    Um es kurz zu machen: Ich lernte auch das Schriftstück in Wien kennen und fasste schließlich den Plan, loszuziehen, um dem Geheimnis des Feueraugen-Ordens auf den Grund zu gehen. Natürlich hätte ich Euch alle zuvor gut unterrichten müssen. Das war ein Fehler und ich sehe es auch ein. Entschuldigt mein dummes Misstrauen. Ich dachte, dass ein paar von Euch zu feige sein würden, mit mir zu gehen. Oder aber einige hätten mich für verrückt gehalten, weil es so etwas doch gar nicht gibt."
    "Wir ... zu feige? – Aber Mônsieur!" empört sich Michel –gerade er- demonstrativ.
    "Haha, wirklich ganz typisch für sie, Signore Baldwin." Ricci wirkt erleichtert. "So ein Aufwand für eine Legende!"
    "Jedenfalls klingt das alles sehr interessant." erklärt Marlène. "Wir werden also dieser Legende ... comme dit-on? ... neues Leben ein-hauchen?"
    "Ja ... so ähnlich hab' ich mir das vorgestellt!"
    "Herr Baldwin, ich bin froh, dass jetzt olles is' besprochen. Jetzt wissen mir olle, worum's geht und kennen uns beruhigt an die Arbeit machen."
    "Mein lieber Doktor!" Baldwin lächelt schwach – denn alles hat er ihnen immer noch nicht gesagt. "Wir werden sicherlich wieder viel Spaß miteinander haben."
    "Und warum suchen wir gerade in dieser verlassenen Gegend nach dem Schloss?" will der Signore dann wissen.
    "Es gibt einen Anhang zum Bericht Carl Caulks. Der liest sich, als wäre er auf Schloss Rachass gewesen. Er kam zurück und brach irgendwann wohl wieder auf. Bevor er sich auf den Weg machte, muss er

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