Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feueraugen I. Das Dorf

Feueraugen I. Das Dorf

Titel: Feueraugen I. Das Dorf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Zeram
Vom Netzwerk:
ist eigentlich mit ihr? Sie scheint mehr zu wissen, als sie eigentlich sollte. Oder war sie mit auf der Suche nach Nagor und Kalfater?"
    "Die? - Die lebt draußen in einer alten Hütte vor dem Dorf. Die ist verrückt, sag ich ihnen. Wenn sie im Dorf auftaucht, dann gibt's Ärger. Wir sollten se ins Irrenhaus sperren lassen!"
    "Das ist wohl so!" gibt Zeramov klein bei. Er fühlt, dass diese Leute mit der Alten nichts zu tun haben wollen. "Ich bin nur erstaunt, weil sie offenbar den Namen 'Rachass' kennt."
    "Rachass?" der Greis sieht Zeramov lange an. "Was soll das sein?"
    Da lässt eine durchdringende Stimme alle zusammenfahren.
    "Rächer!"
    Hinter der Hütte des Totengräbers erscheint Lucy Fera.
    Sofort weichen die Frauen des Dorfes zurück. Tuschelnd und zischelnd stehen sie dann beisammen und beobachten die Alte.
    "Rächer? - Was redest Du da, irres Weib?" einer der jüngeren Männer stellt sich der Fera breitbeinig in den Weg. Die aber achtet überhaupt nicht auf ihn. An ihm vorbei geht sie gerade auf den Greis zu, bei dem auch Zeramov und X stehen.
    "Rächer!" wiederholt sie mit ihrer rostigen Stimme. "Die Sage von den Rächern. Sie zieh'n im Morgengrauen beim dichtesten Nebel aus und metzeln die Unwürdigen nieder, wenn's an der Zeit ist! Lang genug haben sie geschlafen!"
    "Wen meinen sie?" fragt X.
    "Welche Unwürdigen?" will Zeramov wissen.
    "Alle!" wieder ertönt das schrille Lachen der Alten, die mit ihrem Stock wirre Figuren in die Luft malt und dazu bedrohlich wankt.
    "Woher kommen die 'Rächer' denn?" Zeramov lässt nicht locker.
    "Aus den Nebeln!" jetzt klingt ihre Stimme hohl und geheimnisvoll. "Aus der fahlen Sonne des Morgens, aus dem Blut der Dummen, Ehrlichen und Guten. Sie kommen aus dem Menschen selbst hervor gekrochen!"
    "Drücken Sie sich doch klarer aus, gute Frau. Was soll denn das für ein wirres Zeug sein?" herrscht X Sie an.
    "Wirr? - Nicht so wirr, wie der feine Herr vielleicht glaubt. Lucy Fera hat schon ihre Gründe, wenn sie lacht!" Sie demonstriert gleich noch mal, wie das bei ihr klingt.
    "Die Nebel? Meinen Sie die Nebel über der Ebene da draußen?" Zeramov hat seinen Notizblock in der Hand und schreibt mit.
    "Die Nebel über der Ebene, auf der die Masse dieser Gottverdammten dahinvegetiert!" antwortet ihm die hässliche Alte, deren vernarbtes, dazu verwarztes und verrunzeltes Gesicht wirklich kein schöner Anblick ist. Ganz nahe ist sie an Zeramov herangekommen. "Die Nebel der Seuche und der Fäulnis, die aus dem Körper des sterbenden Monsters emporsteigen. Den Menschen meine ich, junger Mann ..."
    "Fäulnis, Seuche, Monster ... und was ist mit Rachass?" erkundigt sich X. "Wozu einen Unterschlupf für die Rächer menschlicher Ungerechtigkeiten?"
    Lucy Fera wendet sich jetzt diesem Frager zu.
    "Weil die Sage von Menschen erdacht wurde! Weil das alles nur Sage sein sollte - nicht Wirklichkeit! Aber die Sage ist den Menschen entglitten – sie hat zu leben begonnen – schon vor langer, langer Zeit! Haha ... suchen Sie ihren Freund nur ... da draußen im Nebel. Er wird ihnen bestimmt eindringlicher schildern können als ich, was der Mensch ist. Oder fragen Sie Nagor! Der kennt sie besser als alle! Hahahahaaaaaa!"
    Ihr Gelächter wird unerträglich, schmerzhaft und peinlich zugleich.
    In diesem Augenblick geschieht etwas Entsetzliches.
    Plötzlich fliegt die Türe der Totengräberhütte krachend herum. Eine gebückte Gestalt springt ins Freie und mit einem nur als unmenschlich zu beschreibenden, lang gezogenen Laut stürzt sie sich auf die Alte. Über fast vier Meter ist der Krüppel wie von einem Katapult geschleudert durch die Luft geflogen. Seine knochigen, blutleeren Finger umfassen den Hals der Fera wie Klauen. Zusammen stürzen sie zu Boden.
    "Mein Gott ... Nagor!" schreit der Greis auf.
    In ihrer Bestürzung sind sie alle wie gelähmt und keiner verhindert, dass Nagor Lucy Fera erwürgt. Erst als sich beide nicht mehr bewegen, treten die Ersten an das wie umschlungen daliegende Paar.
    "Tot!" sagt ein junger Mann. "Beide ... tot!"
    "Ja ... tot!" Das ist der Totengräber Bonhorr.
    "Ist auch gut so!" murmelt ein anderer im Hintergrund.
     
    *         *         *
     
    Zeramov und X bleiben noch eine Weile bei den Leuten aus dem Dorf stehen und versuchen aus den Bemerkungen der Dörfler irgendeinen weiteren Hinweis herauszuhören. Viel bringt das nicht.
    "Grausam!" bemerkt Zeramov.
    "Ja!" X nickt fast unmerklich. "Besonders deshalb, weil wir jetzt mit keinem von

Weitere Kostenlose Bücher