Feuerbande
mir niemand mehr schaden kann. Die Steine werden mich schützen vor allem, das mir nahe kommen will. Niemand, niemand kann mehr heran.“
So stand sie da inmitten ihres steinernen Meeres, das einst eine Wiese gewesen war, und die Fee blickte sie an und seufzte.
„Was hast du getan“, fragte sie traurig, und die kleine Blume verstand sie nicht.
„Ich habe mich geschützt!“, erklärte sie stolz. „Jetzt geht es mir gut, jetzt bin ich glücklich!“
Die Fee seufzte ein zweites Mal. Dann überquerte sie den Bach und säte ihre Blumensamen aus, in das Gras, das dort am Ufer wuchs.
Und nur manchmal, manchmal drückte das Gewicht der Steine ein wenig auf den Wurzeln der kleinen Blume, und sie schaute sehnsüchtig ans andere Ufer, an dem sich die Blüten im Sommerwind wiegten.
Das Herz des Waldes
Einst, in den Zeiten des Krieges, so erzählte die alte Yossiah ihrer Enkelin, da gab es einen Hof, etwa an der Stelle, wo wir heute leben. Und wie es so ist im Krieg, da fielen sie auch auf jenem Hof ein, die Plünderer, nahmen sich, was sie wollten, und legten Feuer an das, was sie nicht brauchten, denn ihre Seelen waren selbst schon verbrannt von all der Gewalt um sie herum.
Ein Junge aber konnte entfliehen und lief fort von ihnen, fort und in den Wald hinein. Er war mager und ausgezehrt, denn der Krieg hinterlässt überall seine Spuren, doch die Angst trieb ihn vorwärts, und er wollte nur fort. Aber die Männer entdeckten ihn und dachten, er wolle etwas vor ihnen verstecken, und so nahmen einige von ihnen die Verfolgung auf.
Sie riefen ihm zu, stehen zu bleiben, doch er hörte nicht, lief nur voran, mit bloßen Füßen auf dem Weg in den Wald. Tannennadeln knackten unter seinen Fußsohlen, doch er spürte den Boden nicht, fühlte nur die nackte Angst, die ihn weiter vorwärts trieb, nur fort von den Männern, fort von Zerstörung und Gewalt. Sein Herz schlug hart und schmerzhaft, doch noch konnte er die schweren Schritte von Stiefeln hinter sich hören, die heiseren Rufe der wilden Männer, und so musste er weiter, weiter.
Die Bäume rückten dichter zusammen, und es wurde dunkler um ihn, doch immer noch vermeinte er, den Klang der harten Schritte zu hören, und er konnte nicht anhalten, wusste nicht, was er sonst tun sollte, als zu laufen. Weiter und weiter, denn das Leben, was er kannte, gab es nicht mehr, und die alten Eichen raunten ihm zu in einer Sprache, die er nicht verstand, der seine mageren Beine aber auf geheimnisvolle Weise wie von selbst folgten. Es war, als würden sie den Weg kennen, und aus dem Unterholz raschelte es, flüsterte es, aus Blättern und Nadeln, aus Gezweig und Gestrüpp: Komm, komm zu uns. Hier entlang, komm.
Gab es noch andere Geräusche außer dem Raunen und Wispern, dem harten Hämmern in seiner Brust, dem keuchenden Atem, der sich in den Schatten der Zweige verlor...? Der Junge wusste es nicht, rannte, stolperte, rappelte sich auf, bis er zu erschöpft war, um auch nur einen Fuß zu heben. In seinem Rücken drückte etwas, und er blickte sich um mit quälender Langsamkeit, zu kraftlos, um noch davonzulaufen.
Eine Brombeerranke war es, die ihn vorwärts schob. Gleich hast du es geschafft. Du bist gleich da.
Mit letzter Kraft stolperte er auf eine Lichtung, fiel in das Gras, das dort zwischen wilden Blumen und Kräutern wuchs, und blieb dort vollkommen reglos liegen.
Willkommen im Herz des Waldes , rauschte das Laub rings um ihn her. Willst du es wieder zum Schlagen bringen? Wir haben auf dich gewartet.
Der Junge lag da, unfähig, sich zu bewegen, während die Gedanken aus ihm herausglitten wie Fäden aus feiner, weicher Wolle. Soviel Schrecken. Soviel Leid. Feuer. Tod. Allein. Allein.
Nein, nicht allein. Wir sind doch hier. Wir nehmen dich auf. Komm.
Tröstliche Gedanken, soviel Trost und Wärme. Der Junge ließ los, beobachtete seine Gedanken dabei, wie sie weiter aus ihm herausströmten, nur waren sie jetzt gar keine Wollfäden mehr. Sie waren feine zarte Triebe, junge Wurzeln, die ihn mit dem Boden des Waldes verbanden, während ihn Ranken und Blätter willkommen hießen. Er streckte seine Wurzeln aus und spürte das Leben in diesem Wald, verband sich mit allem, was in ihm war. Die Welt dort draußen war nur noch ein Traum, der im Rascheln und Rauschen verschwand, verblasste zum Ruf eines Vogels tief im Laub einer uralten Eiche.
Nie ist er wieder zurückgekommen, erzählte die alte Yossiah weiter, doch der Wald wurde groß und kräftig und überdauerte alles
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