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Feuerbande

Feuerbande

Titel: Feuerbande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Otten
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lächelte die Alte wieder. „Der Weg ist nicht weit, denn schau, du bist schon daheim. Sieh doch, dort vorn bei den Bäumen steht euer Haus. Lauf hin und tue, wie ich dir geheißen.“
    Das Mädchen rieb sich die Augen, denn das konnte nicht sein, aber dort vorn war tatsächlich die Hütte der Eltern. Und als es sich noch einmal zur Alten umwenden wollte, um ihr ein zweites Mal zu danken, stellte es fest, dass die Frau samt Stecken verschwunden war.
    „Ich weiß nicht, was dies zu bedeuten hat, doch ich will tun, wie sie gesagt hat“, dachte das Mädchen und machte alles so, wie ihr die Alte geraten hatte. Und bald schon ging es der Mutter besser.
    In der Nacht aber träumte das Mädchen einen seltsamen Traum von Tannennadeln und wilden Rosen, und in diesem Traum war sie erneut auf dem Weg in die Stadt, doch nun war sie erwachsen. Und sie wusste, sie würde ihr Ziel erreichen, wenn sie nur an die Kraft in sich selber glaubte. So lange der Traum währte und darüber hinaus.
     

Der Schmetterling
     
    Ich frage mich manchmal, wie es früher war, damals, in den alten Zeiten. Manche sagen, wunderschön, andere sagen, wild und gefährlich. Wir mussten uns schützen, sagen sie, so viele Dinge, so viele Gefahren. Heute ist fast niemand mehr krank, wir leben lange, wir haben es geschafft.
    Aber manchmal, wenn ich nachts nicht schlafen kann und in der Dunkelheit höre, wie Rica leise im Traum grunzt, dann stelle ich mir vor, wie es wohl gewesen sein könnte, damals zu leben. Das behalte ich aber für mich, denn es macht Spaß, ein Geheimnis zu haben, hier, wo niemand sonst eines hat.
    „Du bist komisch, Sarah“, sagt Rica immer, „eines Tages wirst du das hoffentlich merken.“ Und ich antworte dann, dass sie selbst komisch ist, weil sie doch im Schlaf so grunzt, obwohl sie es immer abstreitet. Ich mache es vor, und wir lachen beide, und dann machen wir uns auf den Weg in den Speisesaal oder zum Unterricht oder wo wir eben sonst hin müssen.
    In den Trakt, zu dem ich gerade gehe, müssen wir allerdings selten. Der Gang ist schnurgerade und sauber, und von draußen höre ich Stimmen, die vom Innenhof zu mir herauf klingen. Ich hätte jetzt eigentlich da unten sein sollen bei den anderen in der Botanikstunde, und ich frage mich wieder, warum ich stattdessen zur Direktorin soll. Meine Gedanken schwirren wie Schmetterlinge.
    Ich mag Schmetterlinge gern, wir haben einen Glaskasten im Biologieraum, in dem seltene Sorten ausgestellt sind. Der Kasten ist alt, aber man kann noch gut erkennen, wie filigran die Muster der Flügel sind, wie fein die Fühler, wie schillernd die Farben. Ich stelle mir vor, wie sie über Wiesen geflogen sind, die voller Blumen waren, damals, in der anderen Welt, von der ihnen nur noch ein Traum in einem Glaskasten geblieben ist.
    Ich mag auch Blumen gern, Botanik ist mein Lieblingsfach. Stundenlang kann ich an meinem Beet verbringen und mir vorstellen, die Blumen darin – vorschriftsmäßig in Reihen gepflanzt, nur schulisches Material, natürlich – würden sich langsam einen Weg in den Hof hinaus bahnen. Ich sehe sie vor mir, wie sie ihre Wurzeln ausstrecken und vorsichtig über den Rand der betonierten Einfassung heben, so vorsichtig, dass es niemand merkt. Am besten nachts, wenn alle schlafen. Und alle anderen folgen nach, strengen sich an, wachsen, breiten Blätter und Stängel aus, hinaus über den Rand, wie ein grünes Meer. Bald schon ist der Hof bedeckt, so dass man den Belag nicht mehr sehen kann, auf dem Keime und Sporen nicht haften sollen.
    Aber die Wurzeln schaffen das. Meine Wurzeln würden das schaffen.
    Es ist ein so schöner Traum.
     
    Ich habe das Direktorat fast erreicht, da fällt mir eine Sache ein. Könnten sie davon erfahren haben? Neulich habe ich zwischen meinen wohlgeordneten Reihen etwas Grünes, Anderes gefunden. Das hätte ich sofort melden müssen, denn es kann nur in dem Bodensubstrat gewesen sein, das man uns zur Verfügung gestellt hat. Ein Verstoß gegen das Reinheitsgebot, der ziemlichen Wirbel ausgelöst hätte, vielleicht hätte man sogar den Gartenbereich geschlossen. Das wäre das Ende meiner Blumen gewesen, und das Ende meines Traumes.
    Darum habe ich es nicht getan. Darum, und weil ich neugierig war, was daraus erwachsen würde. Ich habe den Keimling ausgegraben, als niemand auf mich achtete, und ihn zu einem der Büsche gesetzt, die am Rand des Hofes in Kübeln wachsen. Die meisten Schüler gießen nur widerwillig und beachten die Kübelpflanzen

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