Feuerbande
Leid der Menschen. Manche sagen, geh nicht zu weit hinein, denn man weiß nicht, was einem dort drinnen begegnet, und andere reden von einem Fremden, der in den Raunächten unter den Bäumen stehen und über die Felder hinweg blicken soll, aber das ist natürlich nur Legende.
Und woher ich das alles weiß, fragst du? Er hat es mir selbst erzählt, der Wald... wenn du still bist, kannst du es hören, wenn der Wind durch seine Blätter weht und von Zeiten erzählt, die vergangen sind.
Wenn du still bist, kannst du es hören.
Tannennadeln und wilde Rosen
Es war einmal, so erzählt man sich, ein kleines Mädchen, das lebte in einer Hütte am Wald. Dort führte ein Weg vorbei zu dem Schloss, das man von ferne sehen konnte.
Die Eltern des Mädchens waren arm, seine Mutter oft krank, und der Vater wusste kaum, wie er sie alle durchbringen sollte. Sie lebten von dem, was ihnen mildtätige Menschen gaben, vom Wald und von Tagelöhnerarbeiten.
Eines Tages brauchte die Mutter wieder einmal Medizin, und es war doch kein Geld da, sie zu beschaffen. Der Vater hatte sich aufgemacht und war noch nicht wieder zurückgekehrt, und das Mädchen dachte bei sich: „Es geht nicht an, dass ich zusehe, wie es der Mutter immer schlechter geht. Ich muss selbst fort und werde ihr Hilfe holen.“
Sie öffnete die Tür und nahm den Weg, der zum Schloss in der Ferne führte, und während sie mit bloßen Füßen wanderte, kam ihr ein Edelmann auf seinem Pferd entgegen. „Herr“, bat das Mädchen und hob den Kopf, um seine prächtige Kleidung zu bewundern. „Meine Mutter ist krank, und wir brauchen Hilfe. Könnt Ihr uns vielleicht Arznei besorgen?“
Der Edelmann schnaubte so wie sein Ross. „Man bekommt nichts geschenkt in dieser Welt. Sei fleißig und verdien sie dir selber.“
Und schon war er davon geritten, in einer Wolke aus aufgewirbeltem Staub, die das Mädchen husten ließ. „Fleißig sein“, dachte sie bei sich, „das will ich gern, aber noch bin ich ein Kind, und meine Mutter braucht Hilfe.“
Als nächstes kam eine rundliche Bauersfrau des Weges, mit einem Esel und Gemüse in Körben, das sie zum Markt in die Stadt bringen wollte.
„Bitte hilf mir“, bat das Mädchen auch sie. „Meine Mutter ist krank, und wir wissen nicht weiter.“
„Gern würde ich dir helfen“, sagte die Frau und zerrte an dem Zügel des Esels. „Aber ich habe leider gar keine Zeit, denn man wartet auf mich, und ich muss verkaufen.“
Und schon war auch die Frau verschwunden.
Das Mädchen lief, bis es müde war, und konnte doch das Schloss nicht erreichen. Da ließ es sich am Wegesrand nieder und weinte, denn es wusste nicht, was es jetzt tun sollte.
Plötzlich war es, als würde der Wind sanft über seinen Rücken streicheln.
„Weine nicht, mein Kind“, sprach jemand freundlich gleich neben ihm, und das Mädchen erblickte eine uralte Frau, die sich auf einen hölzernen Stecken stützte. „Deiner Mutter wird geholfen werden.“
„Ach, Mütterchen“, seufzte das Mädchen verzweifelt. „Nun bin ich schon so weit gelaufen, und niemand hat mir helfen wollen. Meine Mutter ist krank, und nun bin ich müde und muss nach Hause, ehe es dunkel wird.“
„Ich weiß“, sagte die alte Frau, und dem Mädchen kam es vor, als ob sie nach Tannennadeln duftete und nach wilden Rosen. „Deswegen bin ich ja gekommen. Hier, nimm diese Kräuter für deine Mutter. Mache ihr einen Tee davon, und dies hier lege ihr erwärmt auf die Stirn. Es wird sie stärken und ihr helfen.“
Mit diesen Worten zog die Alte ein Kräuterbündel aus ihren Röcken und noch dazu einen kleinen Stein, den sie dem Mädchen hinunterreichte. Er fühlte sich glatt an und irgendwie seltsam, als trüge er ein wenig von der Wärme der alten Frau selbst in sich.
„Was ist das?“, fragte das Mädchen verwundert, und die alte Frau lächelte. „Es ist ein Stück von den Knochen der Erde“, erklärte sie. „Es wird deine Mutter daran erinnern, was die Erde trägt und dass diese Stärke auch in ihr selbst ist.“
„Wer bist du?“, flüsterte das Mädchen, während es die Gaben vorsichtig entgegennahm.
„Ich achte auf dich“, sagte die Alte, „auch, wenn du es gar nicht weißt. Ich bin der Wald, mit dem du lebst, und der auch Teil von dir selbst ist.“
„Das verstehe ich nicht“, bekannte das Mädchen. „Aber ganz sicherlich danke ich dir. Und nun werde ich nach Hause gehen, denn der Weg ist noch weit, und man wird auf mich warten.“
„Aber nein“,
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