Feuerbande
kaum.
Das kann doch niemand bemerkt haben?
Das Klopfen an der dunklen Tür, die wie Holz aussieht, es aber nicht ist, klingt seltsam durch die leeren Flure. Als ob sich die Luft nur unwillig teilt, um das Geräusch durchzulassen. Als ob das Geräusch selbst es sehr eilig hätte, durch diesen Gang davonzukommen.
„Ja, bitte?“, ertönt eine Stimme von innen, und ich schiebe die Tür vorsichtig ein Stück weit auf. Die Sekretärin mustert mich mit einem Blick, den ich nicht deuten kann, und winkt mir, zu ihr herein zu kommen. Hinter mir fällt die Tür ins Schloss, und wieder stürmt das Geräusch davon.
„Ich soll zur Direktorin“, erkläre ich und schaue an ihr vorbei zur Tür, die hinter ihr weiter ins Innere führt. „Man hat mich dafür aus dem Unterricht geholt.“
Die Sekretärin nickt nur und macht eine Bewegung, als würde sie mich wegwedeln wollen. „Geh durch“, sagt sie und tut sofort so, als ob sie sehr beschäftigt wäre, dabei sehe ich genau, wie sie mich von der Seite beobachtet. Ich wüsste gern, was hier eigentlich los ist. In meinem Magen fühlt es sich an, als hätte man dort einen Eiswürfel vergessen, der nun langsam schmilzt und Kälte verbreitet.
Ich öffne die Tür zum hinteren Büro und schließe sie wieder hinter mir. Die Kältewellen werden stärker, als ich weitergehe, auf den großen Schreibtisch zu, vor dem Besucherstühle stehen.
Der Raum ist mittelgroß und weiß gestrichen, der Bodenbelag Staub abweisend und sauber. An den Wänden stehen Regale mit alten Büchern und vielen Boxen, die Dateien auf Speichermedien enthalten. Schülerakten, nehme ich an, gesichert gegen Hacker und Festplattencrashs. Gerahmte Urkunden hängen dazwischen, auch einzelne ausgedruckte Bilder. Ob es Angehörige der Direktorin sind oder ehemalige Schüler, die etwas für die Gesellschaft geleistet haben, kann ich nicht sagen. Sie liegen im Schatten der Deckenlampen, die den Raum taktisch geschickt nur im Zentrum erhellen, in dem die Schulleiterin sitzt.
Sie schaut mir hinter dem Schreibtisch entgegen, ihre Miene ist nahezu ausdruckslos. Natürlich hat sie auch einen Namen, aber bei dem nennt sie hier kaum jemand. Sie ist die Direktorin, fertig, mehr weiß man nicht von ihr und mehr will man nicht wissen. Die Distanz gehört zu ihr wie die glatt nach hinten gekämmte Frisur und die kalten, künstlich wirkenden Augen.
„Setz dich, Sarah“, sagt ihr Mund, der es nicht schaffen will, sich zu einem höflichen Lächeln zu formen. Ich ziehe mir einen der Stühle heran, und eine Weile herrscht Schweigen zwischen uns.
Hinter dem Rücken der Direktorin gibt es ein Fenster, und ich stelle mir vor, wie ich es weit aufstoße, so dass ein Windhauch hineinfahren und alles durcheinander wirbeln könnte, das Eis in meinem Herzen, die vielen Akten, die straffe Frisur. Ein wenig hilft es, wenn auch nicht viel.
„Sarah“, beginnt der Mund vor mir wieder. „Ich habe dich zu mir rufen lassen, weil ich Dinge erfahren habe, die ich so nicht dulden kann. Unerhörte, unglaubliche Dinge. Kannst du dir denken, wovon ich rede?“
„Nein“, sagte ich, denn das kann ich nicht. Die Pflanze im Kübel blende ich aus, denn wenn die Direktorin Gedanken lesen könnte, würde mich selbst das nicht wundern.
„Ricas Eltern haben mich angesprochen“, fährt die Direktorin fort und lässt mich dabei nicht aus den Augen, während ich in Gedanken am Fenstergriff rüttle. „Sie haben sich Sorgen um ihre Tochter gemacht und dass sie bei uns nicht gut aufgehoben sein könnte. Rica hat ihnen Dinge erzählt, die dich betreffen. Beunruhigende Dinge. Das, was du tust, und was du so denkst.“
„Rica?“, fahre ich betroffen auf. „Das kann nicht sein, sie ist meine Freundin!“
„Ja, deshalb sorgt sie sich ja um dich. Es war richtig von ihr, mit ihren Eltern zu sprechen, wenn sie sich schon nicht mir anvertraut hat. Da du mit Rica ein Zimmer teilst, mussten ihre Eltern handeln, um sicherzugehen, dass du keine Gefahr für sie bist.“
„Handeln?“, rufe ich. „Was habe ich denn getan? Ich habe hier nichts falsch gemacht. Schauen Sie doch in meine Akte!“
„Ich weiß“, bestätigt mir der Mund und hätte beinahe doch gelächelt, ein fürchterliches, falsches Lächeln. „Du bist eine vorbildliche Schülerin und hochintelligent. Aber du hast seltsame Gedanken und gefährliche Ideen. Ich kann die Sorge der Eltern verstehen. Du weißt doch, wie wichtig es ist, dass wir so leben, wie wir es tun, zu unserer eigenen
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